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Präimplantationsdiagnostik: Eile ist kein guter Berater


Während in den vergangenen Wochen und Monaten das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Präimplantationsdiagnostik (PID) nur ein vergleichsweise geringes gesellschaftliches, politisches und mediales Echo gefunden hat, kann es nun der Regierungskoalition offensichtlich gar nicht schnell genug gehen, eine Entscheidung über die umstrittene Methode herbeizuführen. Sowohl bei Union als auch bei den Liberalen herrscht Eile in dieser Frage. Sogar von einer Abstimmung im Parlament noch vor Weihnachten war bereits die Rede.
„Wir müssen nicht weiter diskutieren, sondern brauchen eine schnelle Entscheidung“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, Ulrike Flach, in einem Zeitungsinterview. Die PID sei eine Methode, die seit Jahren bereits im Ausland praktiziert werde. Neuigkeiten gebe es nicht, meinte die langjährige Befürworterin der Methode, die gemeinsam mit Fraktionskollegen einen Antrag zur Zulassung der PID in den Bundestag einbringen will.
Eilig haben es auch einige Unionspolitiker – jedoch unter einem anderen Vorzeichen. Nachdem sich jüngst Bundeskanzlerin Angela Merkel für ein Verbot der PID ausgesprochen hat, drängen sie darauf, dies rasch gesetzlich festzuschreiben. „Der Bundestag muss möglichst schnell entscheiden, ansonsten werden Fakten geschaffen, die nur schwer wieder rückgängig zu machen sind“, sagte Dr. med. Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der Christdemokraten im Europäischen Parlament. Dabei verwies er auf Reproduktionskliniken, die jetzt schon neue Mitarbeiter suchten, um die PID anbieten zu können. Eine Zulassung der PID in engen Grenzen hält Liese nicht für praktikabel. Dies zeige die Erfahrung aus dem Ausland. Gleichzeitig wies er auf die Alternative der Polkörperdiagnostik hin. Sie sei in Deutschland legal, weil hier nicht der Embryo untersucht werde, sondern die Eizelle vor Abschluss der Befruchtung.
Gemeinsam mit Hubert Hüppe, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, und Prof. Dr. Patrick Sensburg (beide CDU) setzt sich Liese deshalb für ein eindeutiges Verbot der PID ein. Nach ihren Vorstellungen würde schon ein zusätzlicher Absatz in § 15 des seit Februar 2010 gültigen Gendiagnostikgesetzes ausreichen, um die PID zu verbieten. Möglich ist Sensburg zufolge eine Regelung, die besagt, dass vorgeburtliche Untersuchungen an extrakorporalen Embryonen mit der Zielsetzung, genetische und morphologische Eigenschaften oder das Geschlecht des Embryos festzustellen, nicht vorgenommen werden dürfen. Das Embryonenschutzgesetz müsste dazu nicht extra geändert werden, meinte der Jurist, der einen entsprechenden Gruppenantrag unterstützen will. Anfang nächsten Jahres soll der Bundestag abstimmen.
Damit bleibt dem Parlament nicht mehr viel Zeit. Das ist ungewöhnlich. Bei bisherigen bioethischen Entscheidungen, bei denen der Fraktionszwang aufgehoben war, wurde dem Parlament für Gewissensentscheidungen mehr Einarbeitungs- und Bedenkzeit zugestanden. Diese benötigen einige Bundestagsabgeordnete auch, um sich mit der Problematik vertraut zu machen, beraten zu lassen und sich eine eigene Meinung zur PID zu bilden. Etwas weniger Eile täte der Debatte auf jeden Fall gut.
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik in Berlin