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Gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln: Den Wildwuchs eindämmen


Nach dem Willen der EU muss die Industrie für gesundheitsbezogene Angaben auf Lebensmitteln einen wissenschaftlichen Nachweis erbringen. Eine Positivliste soll allerdings nicht vor Ende 2011 vorliegen.
Die wissenschaftliche Bewertung gesundheitsbezogener Angaben auf Lebensmitteln nimmt erheblich mehr Zeit in Anspruch als geplant. Eine entsprechende Positivliste sollte eigentlich schon seit Ende Januar dieses Jahres vorliegen. Nun wird es die Liste nach Aussagen der Europäischen Kommission frühestens Ende 2011 geben.
Mit der sogenannten Health-Claims-Verordnung, die 2007 in Kraft trat, will die Europäische Union (EU) den Wildwuchs an Gesundheitsversprechen der Lebensmittelindustrie beenden. Das Gesetz schreibt den Nahrungsmittelproduzenten vor, für gesundheitsbezogene Angaben wie „Calcium ist gut für Ihre Knochen“ oder „stärkt Herz und Kreislauf“ einen wissenschaftlichen Nachweis zu liefern.
Nach einer Prüfung der Health Claims durch die im italienischen Parma ansässige europäische Lebensmittelbehörde EFSA soll die Industrie somit nur noch solche Produkte mit gesundheitsbezogenen Aussagen bewerben dürfen, die nachweisbar gesundheitliche Vorteile bieten. Aussagen, die ungenau, schlecht verständlich oder irreführend sind, werden untersagt.
Die Verordnung gilt für Informationen auf Lebensmitteletiketten, in der Werbung, für Handelsmarken oder sonstige Markennamen. Dies betrifft auch Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel, die für Krankenhäuser, Kantinen und ähnliche Einrichtungen bestimmt sind. Ausgenommen von den Vorschriften sind lediglich unverpackte Lebensmittel wie Brot, Obst und Gemüse sowie traditionelle Bezeichnungen wie „Hustenbonbons“.
Von Antragsflut überfordert
Das zuständige wissenschaftliche Gremium für diätetische Produkte, Ernährung und Allergien bei der EFSA scheint indessen mit der Flut an Anträgen überfordert. Bei der Behörde gingen mehr als 44 000 Dossiers ein. Zwar hat die EU-Kommission die Einzelanträge mittlerweile zu 4 600 Claims zusammengefasst, dennoch zieht sich das Verfahren hin.
Bislang hat die EFSA gerade einmal 1 000 Angaben begutachten können. In erster Linie handelte es sich dabei um Aussagen, die mit der gesundheitsfördernden Wirkung von Vitaminen, probiotischen Bakterien, Mineralstoffen und Fetten werben. Dazu gehören Angaben wie „Omega-3-Fettsäuren sind wichtig für die Entwicklung des Kindes“ oder „Calcium, Vitamin D, Phosphor und Proteine sind für das normale Wachstum und den Knochenaufbau erforderlich“.
Die für die Genehmigung zuständige EU-Kommission hat etwa 80 Prozent der Claims nach der Begutachtung durch die Lebensmittelbehörde als unwahr oder irreführend abgelehnt. Grund war hauptsächlich die mangelhafte Qualität der Daten. So ließ sich beispielsweise kein Zusammenhang zwischen dem Konsum von Kinderschokolade und dem behaupteten positiven Effekt auf das Wachstum herstellen. Das Gleiche gilt für den Antrag eines Herstellers von Milchprodukten, der damit wirbt, dass die verwendeten Bakterienkulturen (Lactobacillus helveticus) dazu beitragen, das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu mindern. Einige Hersteller, wie Danone Frankreich, das die angeblich verdauungsfördernde und die Abwehrkräfte stärkende Wirkung seiner Produkte Activia und Actimel preist, hatten ihren Antrag aus Angst vor einer Ablehnung freiwillig wieder zurückgezogen.
Von 2012 an soll sich die Behörde auch mit Angaben zur gesundheitlichen Wirkung von pflanzlichen Stoffen in Lebensmitteln befassen. Hersteller von pflanzlichen Arzneimitteln fordern eine klare Abgrenzung von Phytotherapeutika und diätetischen Lebensmitteln, denen pflanzliche Substanzen mit arzneilicher Wirkung beigefügt werden. Für Letztere müssten in der EU ebenso strenge Regeln hinsichtlich der Risikobewertungen gelten wie für pflanzliche Arzneimittel, forderte Michaels Habs, Vizepräsident des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie. Dabei müsse sichergestellt werden, dass Verbraucher mit gesundheitsbezogenen Angaben beworbene Lebensmittel nicht versehentlich als Arzneimittel einstuften, erklärte auch der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese.
Petra Spielberg