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Interessenkonflikte medizinischer Journale


Nicht nur die Autoren klinischer Studien haben Interessenkonflikte, auch Fachzeitschriften profitieren vom Abdruck der Studien (PLoS Medicine 2010; 7, e1000354): Ihr Impact-Faktor steigt, und die Honorare für Sonderdrucke können einen signifikanten Anteil der Einnahmen ausmachen. Das New England Journal of Medicine (NEJM), das US-amerikanische Ärzteblatt (JAMA), der Lancet, das Britische Ärzteblatt (BMJ), die Archives of Internal Medicine und die Annals of Internal Medicine gelten als führende internationale Fachzeitschriften. Für sie ist der Impact-Faktor ein Werbefaktor, mit dem die Zahl der Abonnenten gesteigert und die Einnahmen aus Anzeigen erhöht werden.
Peter Gøtzsche, der Leiter des Nordic Cochrane Centre in Kopenhagen, hat nun herausgefunden, dass industriegesponserte Studien den Impact-Faktor in den sechs genannten Journals steigern. Ohne gemischte oder gänzlich von der Industrie gesponserte Studien wäre der Impact-Faktor des NEJM um 13 bis 15 Prozent, des Lancet um sechs bis elf Prozent und von JAMA um fünf Prozent niedriger. Am geringsten war der Einfluss mit minus ein Prozent beim BMJ. Die Auswirkung auf den Impact-Faktor könnte für die Journale ein Anreiz sein, gesponserte Studien zu publizieren – vor allem bei positiven Ergebnissen, denn das gibt erfahrungsgemäß die meisten Zitationen. Dies kann, wie Gøtzsche befürchtet, die Auswahl der Studien, die zur Publikation eingereicht werden, durchaus beeinflussen. Hinzu kommt, dass viele Firmen von den Zeitschriftenbeiträgen Sonderdrucke erwerben, die dann vom Außendienst zu Marketingzwecken verteilt werden.
Auch dies könnte einen einseitigen Anreiz schaffen, denn die Einnahmen aus Sonderdrucken können beträchtlich sein, zumal die Gewinnmargen um die 70 Prozent betragen sollen. Eine einzelne erfolgreiche Studie kann nach einer Schätzung des früheren BMJ-Editors Richard Smith schnell eine Million US-Dollar einspielen. Gøtzsche hat deshalb die Journale gebeten, ihre Einnahmen durch Sonderdrucke zu beziffern. Nur das BMJ und der Lancet antworteten: Das BMJ generiert drei Prozent der Einnahmen aus Sonderdrucken, beim Lancet waren es dagegen 41 Prozent – ein gefährlicher Anreiz, die Studie eines zahlungskräftigen Arzneimittelherstellers dem einer Fachgesellschaft ohne entsprechendes Budget vorzuziehen. Gøtzsche fordert deshalb, dass die Fachzeitschriften ihre Gewinne durch Sonderdrucke für Firmen offenlegen. Rüdiger Meyer