BRIEFE
Leichenschau: Einheitliche Regelung durch Bundesgesetz


Bis auf die in diesem hervorragenden Artikel genannten fünf Prozent findet überhaupt keine echte Todesursachenfeststellung statt. Bei Leichenauffindungen entscheiden die Strafverfolgungsbehörden ausschließlich nach dem Kriterium Fremdverschulden, ob eine Obduktion durchgeführt wird. Hierbei fällt auch mir manchmal schwer, mich zu disziplinieren, von der Korrektheit polizeilicher Ermittlungsarbeit auszugehen, wenn sich mir in subjektiver Wahrnehmung gelegentlich der Verdacht aufdrängt, dass sich das Interesse der Polizei nicht immer nur auf die Todesursachenermittlung richtet, sondern auch auf die Vermeidung neuer Akten. Schon einige Male waren die Umstände bei jungen, tot aufgefundenen Personen aus medizinischer und situationsbezogener Sicht für mich so unklar, dass nach meiner Auffassung weitere Nachforschungen angezeigt gewesen wären.
Außerdem gibt es viele Fälle, in denen zwar sicher kein Fremdverschulden, aber ein großes medizinisches Interesse vorliegt, die Todesursache zu ermitteln. Nach derzeitiger Rechtslage besteht keinerlei Möglichkeit, dem abzuhelfen, es sei denn, der Auftraggeber selbst trägt die Kosten. Grundsätzlich stellt sich die Frage, warum das Leichenwesen überhaupt in die Regelungskompetenz der Länder fällt. Eine einheitliche Regelung durch Bundesgesetz wäre speziell in Hinsicht auf die Todesursachenstatistik der bessere Weg.
Als im Jahr 2007 in Hessen der Entwurf des neuen Friedhofs- und Bestattungsgesetzes beraten wurde, habe ich versucht, darauf hinzuwirken, dass eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wird, die Möglichkeit zur Entscheidung über eine Obduktion auch nach medizinischen Kriterien zu eröffnen. Diese Eingaben konnten sich damals weder in den Fachgremien noch beim Gesetzgeber durchsetzen mit dem Hinweis, dass das nicht finanzierbar wäre. Leider hat das neue Gesetz in Hessen daher in Hinsicht auf die Todesursachenfeststellung keinerlei Verbesserungen gebracht.
Ich stimme den Autoren zu, dass Handlungsbedarf besteht. Allerdings sehe ich hier das gleiche Konfliktpotenzial wie in jedem anderen Sektor des Gesundheitswesens in Deutschland. Mein Optimismus, dass in dieser Frage seitens der Politik nach gesundem Menschenverstand und nicht nach Kassenlage entschieden wird, hält sich in äußerst überschaubaren Grenzen.
Dr. Daniel Kersten, 35753 Greifenstein
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.