ArchivDeutsches Ärzteblatt47/2010Biologie des Lungenkarzinoms: Programme für die Metastasierung

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Biologie des Lungenkarzinoms: Programme für die Metastasierung

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Streuung und Chemoresistenz werden über Micro-RNA reguliert.

Ein kleines RNA-Molekül bestimmt darüber, ob Lungenkrebszellen invasiv wachsen und Metastasen bilden. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und der Universitätsmedizin Mannheim entdeckten dies an Tumorzellen in der Kulturschale und erkannten darüber hinaus, dass auch bei Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkrebs gilt: Je weniger Micro-RNA die Tumorzellen produzieren, desto häufiger kommt es zu Metastasen.

In den letzten Jahren haben Wissenschaftler entdeckt, dass die Herstellung vieler Proteine durch sogenannte Micro-RNAs gesteuert wird. Diese RNA-Moleküle, die aus nur etwa 23 Bausteinen bestehen, heften sich gezielt an Boten-RNAs, die die Bauanleitung für Proteine enthalten. So blockieren sie die Herstellung des betreffenden Proteins.

Schwache Gewebehaftung

Prof. Dr. med. Heike Allgayer vom DKFZ: „Wir glauben, dass die Micro-RNAs auch eine wichtige Rolle bei der Metastasierung spielen und die Zellen zu bösartigem Wachstum programmieren.“ In verschiedenen Zeltlinien von nichtkleinzelligem Lungenkrebs untersuchten Allgayer und Kollegen nun in einer internationalen Kooperation mit Forschern in Turin einen besonders verdächtigen Kandidaten, genannt miR-200c, auf seine Rolle beim bösartigen Wachstum. Je niedriger der miR-200c-Spiegel in den Krebszellen war, desto häufiger war der Krebs bereits metastasiert. Die Zellen sind beweglicher und wandern in umgebendes Gewebe ein – die Forscher bezeichnen dies als Invasionsfähigkeit. Wurden die Krebszellen experimentell mit zusätzlicher miR-200c ausgestattet, so stieg die Menge der gewebeverankernden Moleküle auf ihrer Oberfläche, und die Invasionsfähigkeit ging zurück. Auch bei der Chemoresistenz scheint ein Mangel an miR-200c eine Rolle zu spielen: Nachdem therapieresistente Lungenkrebs-Zelllinien experimentell mit miR-200c ausgestattet wurden, ließen sie sich durch das Chemotherapeutikum Cisplatin abtöten und reagierten auf Cetuximab, ein Medikament, das Wachstumssignale abblockt.

Allgayers Team entdeckte darüber hinaus, wie es in den Krebszellen zum Verlust von miR-200c kommt: In den hochaggressiven Zellen sind die miR-200c-Gene durch chemische Markierungen mit Methylgruppen abgeschaltet. Medikamente, die diese Markierung rückgängig machen, kurbelten die Produktion von miR-200c wieder an. „Wir wollen nun prüfen, ob sich die miR-200c-Produktion in Krebszellen zur Vorhersage von Metastasen und damit als Prognosefaktor für den Verlauf einer Lungenkrebserkrankung eignet“, sagt Allgayer. „Möglicherweise lässt sich auch die Wirksamkeit bestimmter Medikamente anhand des miR200c-Spiegels besser voraussagen.“ EB

1.Ceppi P, Mudduluru G, Kumarswamy R, Ida Rapa, Scagliotti GV, Papotti M, Allgayer H: Loss of miR-200c Expression Induces an Aggressive, Invasive, and Chemoresistant Phenotype in Non-Small Cell Lung Cancer. Molecular Cancer Research 2010, doi: 10.1158/1541–7786. MCR-10–0052. MEDLINE

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