SCHLUSSPUNKT
Körperbilder: Pablo Picasso (1881–1973) – Die Transformation des Weiblichen


Fast wie eine Skulptur wirkt Picassos „Akt am Strand“ von 1929. Das Gemälde wurde erstmals 1932 in einem Museum gezeigt. Das Kunsthaus Zürich ehrte den Spanier mit einer Retrospektive, obwohl Avantgardekunst in Museen zu jener Zeit noch die Ausnahme war. Revolutionär war zudem, dass Picasso, der seine Werke bereits damals erfolgreich vermarktete – und nicht das Kunsthaus –, die Ausstellung kuratierte. Er konnte damit seinen ganz persönlichen Blick auf die ersten drei Jahrzehnte seines Schaffens präsentieren.
Dass diese erste Museumsschau Picassos nun nach fast 80 Jahren noch einmal in Zürich zu sehen ist, gibt auch Gelegenheit, seine surrealistisch-fantastische Komposition der Nackten mit den über dem Kopf verschränkten Armen zu betrachten. Das Werk aus dem Besitz des New Yorker Metropolitan Museums ist auch deshalb bemerkenswert, weil Picasso darin seinen Surrealismus mit kubistischen Elementen verband: Den weiblichen Körper zerlegte er in geometrische Einzelteile, die wie in Beton gegossen wirken, und collagierte diese miteinander. So entstand eine widerspüchlich-verschlungene Figur, die zugleich Monumentalität und Verletzlichkeit, Sinnlichkeit und Frigidität ausstrahlt. Dem Gemälde sind Skizzen, Bilder und Plastiken vorausgegangen, die Picasso anfertigte, als er 1927 in Cannes und 1928 in Dinant Badende am Strand beobachtete. Genau darin bestand sein Dissens mit den Surrealisten: Zwar schöpfte er gerne aus deren Metaphorik und Symbolik, aber er ließ sich von ihnen nicht darauf festlegen, seine Bildmotive aus dem Unbewussten zu generieren. „Ich bin nie von der Wahrheit abgewichen“, sagte Picasso, der die Realität für surrealer hielt als die Welt der Träume.
Die Zerrissenheit der Frauengestalt korrespondierte mit Picassos Lebenssituation. Er war mit Olga Khoklova verheiratet, unterhielt aber seit dem Sommer 1927 eine heimliche Liebesbeziehung mit der jungen Marie-Thérèse Walter. Der Psychiater Carl Gustav Jung fand noch eine andere Erklärung. Nach einem Besuch der Ausstellung attestierte er dem Künstler am 13. November 1932 in einem Artikel in der „Neuen Zürcher Zeitung“ eine schwere psychische Krankheit: Schizophrenie. Sabine Schuchart
Ausstellung
„Picasso“, Kunsthaus Zürich, Heimplatz 1, CH-8001 Zürich; Mi.–Fr. 10–20, Sa./So./Di. 10–18 Uhr; bis 30. Januar 2011; www.kunsthaus.ch
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