SUPPLEMENT: PRAXiS
Versand von medizinischem Untersuchungsmaterial: Sicher und vorschriftenkonform Literatur
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Anfragen von Ärzten an die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege offenbaren immer wieder ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit, was den Transport von Patientenproben angeht. Der Beitrag gibt einen Überblick über die aktuellen Vorschriften.
Geschätzte 250 000 Proben von medizinischen Untersuchungsmaterialien verschiedener Art werden täglich in Deutschland versandt: zwischen medizinischen Einrichtungen unterschiedlicher Art, auf verschiedene Weise und über unterschiedliche Transportwege. Den am Transport Beteiligten, vom Absender über den Transporteur bis zum Empfänger, ist häufig nicht in vollem Umfang bewusst, dass es sich hierbei oft um infektiöse, im Regelfall zumindest jedoch um potenziell infektiöse Stoffe handelt.
Während beim Umgang mit ihnen innerhalb der Entnahme- und Untersuchungseinrichtung interne und externe Hygiene- und Infektionsschutzbestimmungen gelten (wie das Infektionsschutzgesetz und die Biostoffverordnung, BGR250/TRBA250, TRBA 100), unterliegt der Transport über öffentliche Verkehrswege dem Gefahrgutrecht. Von besonderer Bedeutung für den Probentransport über öffentliche Straßen ist das europäische Gefahrgutabkommen ADR (1), das auf der Basis weltweit gültiger UN-Empfehlungen alle zwei Jahre novelliert und mittels der Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB) jeweils in deutsches Recht überführt wird.
Stoffe, von denen bekannt oder anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger enthalten und damit als infektiös gelten, werden danach der Gefahrgutklasse 6.2 „Ansteckungsgefährliche Stoffe“ zugeordnet. Beim Probentransport auf dem Luftweg sind zusätzlich die Bestimmungen der International Air Transport Association mit Sonderregelungen der einzelnen Fluggesellschaften (operator variations) zu berücksichtigen, die auf der Festlegungsbasis der internationalen Zivilluftfahrtbehörde der UN gleichfalls alle zwei Jahre überarbeitet werden. Sie haben bei der Luftpostbeförderung auch Einfluss auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post AG, die ansonsten privatrechtlicher Natur sind.
Zahlreiche Anfragen aus der Praxis an die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege offenbaren immer wieder ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit bei den Beteiligten, insbesondere auch durch die sich häufig ändernden Vorschriften. Ziel dieses Beitrags ist es, in Kurzform einen Überblick über die aktuellen Vorschriften mit Stand Jahresbeginn 2011 zum Transport medizinischer Untersuchungsmaterialien zu geben.
Einteilung und gefahrgutrechtliche Klassifizierung
- Patientenproben. Hierbei handelt es sich um direkt vom Patienten entnommenes Untersuchungsmaterial wie Blut-, Urin-, Stuhl- oder Gewebeproben und Abstriche. Sie werden in der Regel in Arztpraxen, Krankenhäusern, Drogenberatungsstellen und anderen medizinischen Einrichtungen entnommen, verpackt und zu Diagnose-, Forschungs- oder anderen Zwecken in entsprechende Laboratorien transportiert.
Entscheidend für die Wahl der richtigen Verpackung ist die sachgerechte Klassifizierung unter Zuordnung zu einer UN-Nummer. Diese bestimmt auch alle weiteren beim Transport einzuhaltenden Vorschriften. Aufgrund ihres im Wesentlichen auf der Pathogenität und Infektiosität beruhenden Gefährdungspotenzials werden Infektionserreger (etwa Viren, Bakterien, Pilze, Parasiten) sowie Materialien, in denen sie enthalten sind, vereinfachend in die gefahrgutrechtlichen Kategorien A und B eingeteilt:
Zur Kategorie A (enthält Erreger lebensbedrohlicher oder in der Regel tödlich verlaufender Erkrankungen) gehören nach einer in Absatz 2.2.62.1.4.1 des ADR (1) enthaltenen Beispielliste (2) unter anderem Patientenproben mit Verdacht auf Pocken-Viren oder Erreger hämorrhagischer Fieber wie Ebola- oder Lassa-Viren. Sie sind der UN-Nummer 2814, offizielle Benennung „Ansteckungsgefährlicher Stoff, gefährlich für Menschen“, zuzuordnen, nach der Verpackungsvorschrift P 620 zu verpacken und können nur unter hohen Sicherheitsvorkehrungen befördert werden. Speziell ausgebildete Transportdienste bieten diese Leistung an.
Fotos: Volker Thurm
Zur Kategorie B gehören Patientenproben mit Verdacht auf Erreger vergleichsweise weniger gefährlicher Infektionskrankheiten (Risikogruppe 2 und 3 nach BioStoffV), zum Beispiel Salmonellen, Shigellen, Staphylococcus aureus, Influenza-Virus, Hepatitis-B-Virus oder HIV. Sie sind als UN-Nummer 3373 „Biologischer Stoff, Kategorie B“ zu klassifizieren und sind nach der Verpackungsanweisung P 650 zu verpacken. Die gewissenhafte Einhaltung dieser Anweisung stellt diese Proben von den übrigen Anforderungen des ADR, zum Beispiel an die Ausbildung der Fahrer und Ausrüstung der Transportfahrzeuge, frei.
- Freigestellte medizinische Proben. Patientenproben, für die per definitionem nur eine minimale Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie Krankheitserreger enthalten, sind von den Vorschriften des ADR freigestellt, sofern sie als solche deklariert und in einer an die Verpackungsvorschrift P 650 angelehnten dreifachen Verpackung befördert werden, die „jegliche Freisetzung verhindert“. Gewisse Vorteile in der Verwendung dieser hinsichtlich Bauart, Sicherheitsniveau und möglicherweise auch Kosten leicht abgespeckten P-650- Verpackung (P 650 „light“) ergeben sich vordergründig beim Postversand.
Zu den Proben, die nach diesen Kriterien häufig freigestellt werden können, zählen insbesondere Blut-, Urin- und andere Patientenproben zur Untersuchung auf klinisch-chemische Werte wie Blutzucker-, Cholesterin-, Kreatinin- und andere Organfunktionswerte oder Biopsiematerial zur Feststellung von Krebs. Hierbei gilt jedoch stets die Prämisse, dass anhand des klinischen Bildes, der Anamnese des Patienten oder lokaler endemischer Gegebenheiten keinerlei Verdacht auf das Vorhandensein von Infektionserregern in der betreffenden Probe besteht. Da die Proben häufig vom Pflegepersonal entnommen werden, dürfte das Beurteilungsrisiko der „minimalen Wahrscheinlichkeit“ für den verantwortlichen Arzt besonders hoch sein. Die Autoren empfehlen daher im Zweifelsfall immer die Verwendung der sichereren Verpackung nach P 650.
- Inaktivierte Proben. Sterilisierte, wirksam desinfizierte und anderweitig inaktivierte medizinische Untersuchungsmaterialien, die keine Krankheitserreger enthalten können, fallen definitionsgemäß nicht unter die ansteckungsgefährlichen Stoffe und unterliegen damit nicht den Gefahrgutbestimmungen. Beispiele aus der Praxis wären formalinfixierte Gewebeschnitte aus der histopathologischen Untersuchung.
- Mikrobiologische Kulturen. Bei der Beförderung sogenannter Kulturen aus der mikrobiologischen Untersuchung von Patientenproben handelt es sich in aller Regel um „Kulturen für diagnostische Zwecke“, das heißt um Abimpfungen (Subkulturen) isolierter Infektionserreger. Sie werden häufig von mikrobiologischen Laboratorien der Primärdiagnostik in Spezial- und Referenzlaboratorien oder wissenschaftliche Institute zur weitergehenden Spezialdiagnostik beziehungsweise zu Forschungszwecken versandt.
Mikrobiologische Kulturen von Erregern der Kategorie B (Risikogruppe 2 und 3 nach BioStoffV) sind als UN 3373 „Biologischer Stoff, Kategorie B“ zu klassifizieren und in Verpackungen nach P 650 zu befördern. Eine höherwertige Verpackung (P 620) ist zugelassen. Kulturen, die nach der Beispielliste zu Absatz 2.2.62.1.4.1 ADR zur Kategorie A gehören, sind dann entsprechend den oben genannten Patientenproben der Kategorie A, UN-Nummer 2814 zu behandeln und müssen gemäß P 620 verpackt werden.
Verpackung und Kennzeichnung
Verpackungen für medizinische Untersuchungsmaterialien müssen grundsätzlich so beschaffen sein, dass sie allen üblicherweise beim Transport auftretenden Belastungen standhalten und jegliches Freisetzen des Inhalts verhindern. Sie bestehen prinzipiell aus folgenden drei Komponenten (zusammengesetzte Verpackung):
– einem wasserdichten Primärgefäß (zum Beispiel Monovette, Schraubröhrchen),
– einer wasserdichten Sekundärverpackung und
– einer ausreichend festen Außenverpackung (mindestens 100 mal 100 Millimeter).
Bei flüssigen Stoffen muss zwischen Primär- und Sekundärverpackung in ausreichender Menge absorbierendes Material angeordnet werden. Die Sekundärverpackungen sind mit geeignetem Polstermaterial in die Außenverpackung einzusetzen, um ein Durchstoßen zu verhindern.
Zu unterscheiden sind folgende Verpackungstypen:
- Verpackung für freigestellte Patientenproben. Eine solche Dreifach-Verpackung nach Absatz 2.2.62.1.5.6 ADR und gekennzeichnet mit dem Aufdruck „Freigestellte medizinische Probe“ ist für den Versand freigestellter Patientenproben zugelassen.
- Verpackung nach P 650. Verpackungen nach dieser Norm sind für die Beförderung von infektiösen Untersuchungsmaterialien der Kategorie B (UN 3373) vorgeschrieben. Zusätzlich zu obigen Anforderungen muss hier entweder die Sekundär- oder die Außenverpackung aus einem starren Material bestehen. Außerdem müssen Primär- oder Sekundärverpackung einer Druckdifferenz von 95 kPa standhalten und das gesamte Versandstück einen Falltest aus 1,2 Meter Höhe unbeschadet überstehen. Neben den üblichen Angaben des Absenders und Empfängers muss das Versandstück die Kennzeichnung „Biologischer Stoff, Kategorie B“, ergänzt durch das rautenförmige Symbol „UN 3373“, tragen. Verpackungen nach P 650, insbesondere auch für den Postversand, werden von einschlägigen Herstellern in guter Qualität, zum Teil auch bauartgeprüft, angeboten.
- Verpackung nach P 620. Nur Verpackungen nach dieser Norm sind für infektiöse Patientenproben und Kulturen der Kategorie A zugelassen. Auch sie haben prinzipiell den gleichen Aufbau einer Dreifach-Verpackung. Die Unterschiede zur P 650 bestehen in einer wesentlich stabileren Konstruktion, erhöhten Prüfanforderungen und einer amtlichen Bauartzulassung. Da die Kategorie A nur unter den hohen Sicherheitsanforderungen des Kapitels 1.10 ADR (Vorschriften für die Sicherung) befördert werden darf, sollten damit nur speziell zugelassene Transportdienste beauftragt werden, die auch tatsächlich die betreffenden Verpackungen vorhalten.
Postversand
Aufgrund mehrmaligen Wechsels der Verkehrsträger (Straße und Luft) für den Briefversand sowie der Fluggesellschaften mit unterschiedlichen Anforderungen (operator variations), kam es in den letzten Jahren dreimal zu Änderungen der Versandvorschriften bei der Deutschen Post AG, was zu einer gewissen Verwirrung bei Versendern führte.
Nach den seit dem 1. Juli 2010 gültigen „Regelungen für die Beförderung von gefährlichen Stoffen und Gegenständen – Brief National“ dürfen freigestellte medizinische Proben, als solche gekennzeichnet, in den oben genannten Dreifach-Verpackungen nach Absatz 2.2.62.1.5.6. ADR in starrer oder flexibler Außenverpackung (Versandhülle) als Großbrief, Maxibrief oder als Päckchen befördert werden.
Für UN 3373 „Biologische Stoffe, Kategorie B“ (zusätzliche Kennzeichnung in Englisch erforderlich) sind bauartgeprüfte Verpackungen nach P 650 mit kistenförmiger Außenverpackung (Versandschachtel) vorgeschrieben sowie die Versendung als Maxibrief. Gegenüber 2007 ist nun wieder der Versand von Proben der WHO-Risikogruppe 3 zugelassen, zum Beispiel Patientenproben mit Verdacht auf Hepatitis-B-Viren oder HIV oder diagnostische Kulturen von Mycobacterium tuberculosis. Gesundheitspolitisch ist das aus der Sicht der Überwachung dieser Infektionskrankheiten nur zu begrüßen.
Sicherheitsrisiken und Verantwortung
In Deutschland erfolgt die Beförderung mikrobiologischer Kulturen sowohl auf dem Postweg als auch durch Kurierdienstleister in der Regel vorschriftenkonform. Das betrifft gleichermaßen die sachgerechte Klassifizierung, Verpackung, Kennzeichnung und Einhaltung der Transportvorschriften.
Anders ist die Situation bei den Patientenproben. Hier stellen in der Regel die Laboratorien den Krankenhäusern und Arztpraxen die Verpackungen zur Verfügung und lassen die Proben durch eigene oder externe Kurierdienste als Sammeltransport abholen. Wie sich zeigte, werden hierbei leider in vielen Fällen aus mangelnder Sachkenntnis oder zur Kostenersparnis die Gefahrgutvorschriften missachtet. Das betrifft sowohl die Verwendung nicht zugelassener, da nicht flüssigkeitsdichter Sekundärverpackungen, falsch oder nicht ausreichend gekennzeichneter oder für den Transport nicht geeigneter Außenverpackungen als auch fehlende Ladungssicherung beim Transport.
Ein weiterer Punkt ist die unzureichende Information des Fahrers über die bei einem Unfall von dem Versandstück möglicherweise ausgehende Gefahr für Mensch und Umwelt und einzuleitende Maßnahmen. Damit entstehen Sicherheitsrisiken, die im Fall eines Unfalls oder Transportschadens Infektionsgefahren für den Fahrer, die Rettungskräfte oder Unbeteiligte mit sich bringen können. Hinzu kommt der Verlust der Untersuchungsprobe.
Auch wenn in einem solchen Fall ein erheblicher Schuldanteil beim betreffenden Laborleiter liegt, verantwortlich für die Einhaltung der Gefahrgutvorschriften ist immer der Absender. Und das ist im Zweifelsfall der Leiter der jeweiligen Arztpraxis, des Krankenhauses oder anderen medizinischen Einrichtung. Das unmittelbar mit dem Verpacken und Versenden beauftragte Personal (zum Beispiel Sprechstundenhilfe oder Stationsschwester) ist nach § 1a Ziffer 5 und 6 in Verbindung mit § 6 der Gefahrgutbeauftragtenverordnung [3] als „beauftragte oder sonstige verantwortliche Person“ durch zu wiederholende und zu dokumentierende Schulungen mit den zutreffenden Gefahrgutvorschriften und dem sachgerechten Umgang mit Materialien und Verpackung vertraut zu machen. Es ist vorgesehen, diese Verpflichtung 2011 in der neuen GGVSEB zu verankern.
Dr. habil. Volker Thurm
Wernigerode (vormals Robert-Koch-Institut)
Dr. André Heinemann
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Hamburg
1. | Europäisches Übereinkommen vom 30. 9. 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR); Anlagen A und B in der Fassung vom 7. 4. 2009, GBl. II S. 396. |
2. | Thurm V et al.: Versand von medizinischem Untersuchungsmaterial: Neue Bestimmungen ab 2007. Dtsches Arztebl 2007; 104(46): A 3201. VOLLTEXT |
3. | Gefahrgutbeauftragtenverordnung (GbV) vom 26. 3. 1998; BGBl I S. 648. |
4. | Patientenproben richtig versenden – gefahrgutrechtliche Hinweise (Best-Nr.: TP-DP HuM und TP-DP VetM), BGW 2009. |
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