ArchivDeutsches Ärzteblatt49/2010Munich Contempo: Eine vertane Chance

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Munich Contempo: Eine vertane Chance

Jaeschke, Helmut

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Selbst in örtlichen Galeristenkreisen war die Existenz der Messe für zeitgenössische Kunst kaum bekannt.

Frische, zeitgenössische Kunst? Die geflügelten Putten von Modemacher Wolfgang Joop. Foto: munich contempo
Frische, zeitgenössische Kunst? Die geflügelten Putten von Modemacher Wolfgang Joop. Foto: munich contempo

Natürlich kann man darüber streiten, ob es nicht schon genug Kunstmessen in Deutschland gibt, und dennoch hat die Idee, erstmalig eine Messe für zeitgenössische Kunst in München zu kreieren, durchaus Reiz, denn im Gegensatz zu Berlin, Düsseldorf oder Köln sind von der bayerischen Landeshauptstadt in den vergangenen Jahrzehnten vergleichsweise wenig Impulse für die aktuelle bildende Kunst ausgegangen, weder vonseiten des Kunstmarkts noch vonseiten der hiesigen Kunstakademie. Eine produktive Wechselbeziehung zwischen Kunstmarkt und Kunstschaffen hat sich jedoch in der Vergangenheit als förderlich für das Entstehen einer kreativen Kunstszene erwiesen. Entsprechend vollmundig hatten die verantwortlichen Ausstellungsorganisatoren Wolf Krey aus Kiel und der Galerist Michael Schultz, Berlin, „eine junge, frische internationale Messe für zeitgenössische Kunst mit gewohnt Etabliertem und dazu viel künstlerischem Neuland“ angekündigt. Doch Anspruch und Ausführung klafften weit auseinander. Das zeigte sich bereits im Eingangsbereich, wo den Besucher in einer aufwendigen Installation geflügelte Putten aus Marmor und textile Arbeiten des Modemachers Wolfgang Joop empfingen. Was bitte haben diese Werke mit frischer, zeitgenössischer Kunst zu tun?

Ein weiteres Manko stellte die zwar hochgelobte, aber für Ausstellungszwecke kaum geeignete Architektur des Postpalasts dar. Erstens reichte der Platz nur für etwas mehr als 30 Galerien, was generell für eine Messe mit internationalem Anspruch zu wenig ist, und zweitens erlaubte der Rundbau keine Kojeneinteilung. Dies hatte zur Folge, dass einander gegenüberliegende Stände optisch nicht getrennt waren und durch die Vielzahl der unterschiedlichsten Exponate der Eindruck einer kunterbunten Beliebigkeit entstand, die der Qualität der einzelnen Bilder nicht gerecht wurde. Von Künstlern, die auf der Messe vertreten waren, hörte man, dass sie sich unter Wert ausgestellt fühlten und keine Arbeiten mehr zur Verfügung stellen würden, falls die Messe unter den gleichen Bedingungen im nächsten Jahr stattfinden sollte. Eine mögliche Alternative wäre ein Ausweichen auf Einzelausstellungen gewesen, doch hätte dies die Attraktivität der ohnehin räumlich kleinen Messe beeinträchtigt.

Für Ausstellungszwecke kaum geeignet: der Postpalast in München. Foto: Postpalast
Für Ausstellungszwecke kaum geeignet: der Postpalast in München. Foto: Postpalast

Der letztlich entscheidende Vorbehalt gegenüber der Organisation der Messe gründet jedoch in der wenig professionellen Vorbereitung, die sich unter anderem in der mangelnden Einbindung der wichtigsten Münchener Galerien für zeitgenössische Kunst äußerte. Selbst in örtlichen Galeristenkreisen war dementsprechend die Existenz der Messe kaum bekannt, wie überhaupt die Ankündigungen für die Messe sehr zu wünschen ließen. Bei den hohen Standkosten konnte man nicht erwarten, dass die Galeristen auch noch die Werbetrommel in Eigenregie rührten. Unglücklich war zudem das zeitliche und örtliche Zusammentreffen mit dem nahegelegenen Münchener Oktoberfest. Von Wies’nbesuchern war wohl kaum zu erwarten, dass sie Interesse an der Kunstmesse finden würden, andererseits war es durchaus denkbar, dass der eine oder andere Kunstinteressierte durch die zum Oktoberfest massiv erhöhten Hotelpreise von einem Besuch abgeschreckt wurde.

Die Leidtragenden waren die Künstler, deren Werke in dem schwierigen Umfeld nicht die erhoffte Aufmerksamkeit fanden. Dennoch konnte man einige Neuentdeckungen machen. So imponierten die Bilder Sandra Ackermanns (Galerie Voss, Düsseldorf) mit ihren meist weiblichen Protagonistinnen in bedrohlichem Ambiente, und auf dem Gebiet der Fotokunst ragte Hans-Christian Schink (Galerie Rothamel Frankfurt/Main, Erfurt) gegenüber viel Mittelmaß hervor. Beeindruckend war vor allem eine faszinierende Langzeitbelichtung einer Landschaft in Kappadokien.

Helmut Jaeschke

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