Medizin
Stammzellforschung: Möglicher Ausweg aus dem ethischen Dilemma


Yamanaka veröffentlichte dieses Bild mit Nervenzellen, die sich aus den neu programmierten Hautzellen entwickelt haben. Foto: AP/Yamanaka
In der Tat lassen die Resultate hoffen, dass die Stammzellmedizin eines Tages ohne embryonale Zellen auskommen wird. Doch trotz des großen Erfolgs bremsen Yamanaka und Thomson vorerst selbst die Erwartungen: Ein gleichwertiger Ersatz für Stammzellen aus Embryonen (ES-Zellen) seien die reprogrammierten Zellen noch nicht. Erst müsse sich zeigen, ob sich die iPS-Zellen auch tatsächlich in einzelne Gewebearten differenzieren lassen. Als ein weiteres Problem benennen Yamanaka und Thomson die Tatsache, dass die für die Reprogrammierung benötigten Gene von ihnen mithilfe von Retroviren in die Zellen geschleust wurden. Zu den möglichen Nebenwirkungen der Methode, die vor einer klinischen Anwendung unbedingt beseitigt werden müssen, gehört die Gefahr der Tumorentstehung. Ein nächstes Ziel der Forscher wird es daher sein, nach anderen Wegen zu suchen, auf denen sich die für die Reprogrammierung notwendigen Gene aktivieren lassen.
Bis klinisch anwendbare Ergebnisse vorliegen, werden somit vermutlich noch einige Jahre vergehen. In dieser Zeit würden dringend embryonale Stammzelllinien zum Vergleich benötigt, mahnt die DFG. „Die neuen, durch Reprogrammierung gewonnenen Stammzellen müssen charakterisiert und erprobt werden. Dazu werden von den bereits etablierten humanen embryonalen Stammzelllinien die besten neuen Zelllinien als Goldstandard benötigt”, heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Unterstützt von vielen Wissenschaftlern hielt sie es deshalb für notwendig, die deutsche Stichtagsregelung zum Import von humanen embryonalen Stammzelllinien zumindest zu ändern oder ganz zu streichen und die Strafandrohung für Wissenschaftler aufzuheben. Nach dem geltenden Stammzellgesetz, das international in dieser Form einmalig ist, dürfen deutsche Wissenschaftler unter Androhung von Strafe für ihre Forschungsprojekte nur embryonale Stammzelllinien beantragen und importieren lassen, die vor dem 1. Januar 2002 im Ausland hergestellt wurden. Wenn sie sich an Projekten im Ausland beteiligen, bei denen Stammzelllinien jüngeren Datums verwendet werden, droht ihnen eine strafrechtliche Verfolgung.
Diese Regelung war 2002 nach heftigen Debatten im Parlament als Kompromiss beschlossen worden. Doch viele Forscher beklagten in den letzten Jahren, dass er sich mittlerweile als Sackgasse erweise. Die alten Zelllinien seien mit tierischen Zellen kontaminiert und damit unbrauchbar. Zudem brächte die Tatsache, dass die Arbeit mit jüngeren Zelllinien im Ausland für deutsche Forscher strafbar ist, enorme Einschränkungen in der internationalen Kooperation mit sich. Es bestünde die Gefahr, dass sich Deutschland wissenschaftlich isoliere, wenn es sich ausschließlich auf die Forschung mit adulten Stammzellen beschränke. Mit ihren wiederholten Forderungen stand die Wissenschaft nicht allein da. Rückendeckung erhielt sie von höchster Stelle: von Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie von Bundesforschungsministerin Annette Schavan. Aber auch Gegenwind gab es reichlich. Viele Abgeordnete des Deutschen Bundestags sprachen sich für die Beibehaltung der geltenden Gesetzeslage aus.
Für die deutschen Stammzellforscher steht in diesem Frühjahr viel auf dem Spiel: Eine Änderung des in Deutschland geltenden Stammzellgesetzes könnte ihnen neue wissenschaftliche Perspektiven eröffnen. Ein Stopp des Imports von embryonalen Stammzellen könnte aber auch das Ende ihrer bisherigen wissenschaftlichen Arbeit bedeuten. Das Parlament muss entscheiden, ob die Arbeit an embryonalen Stammzellen erleichtert werden sollte, um sie möglicherweise auf lange Sicht überflüssig zu machen, oder ob die geltenden Bestimmungen beibehalten werden sollten. Bei Redaktionsschluss stand diese Entscheidung noch aus.
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
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