

Während Professor Scherer das untersuchte Kollektiv von über 500 000 Langstreckenläufern als „winzige Untergruppe der Gesamtbevölkerung“ einstuft, genügen Professor Kindermann die „Top 10 der weltbesten Marathonläufer“ zur Bewertung der altersassoziierten Leistungsentwicklung. Wie in unserer – von Kindermann zitierten – Studie (1) explizit ausgeführt, ist eine Generalisierung/Übertragung der „Top-10-Leistungscharakteristika“ aus verschiedenen Gründen problematisch und nicht sinnvoll. Studien belegen beispielsweise, dass das extreme Hochleistungstraining von Weltklasseathleten – unabhängig vom Lebensalter – nur selten länger als zehn Jahre absolviert werden kann (1). Hinzu kommen bei Reduzierung auf die „Top-10“ enorme Selektionseffekte, genetische Besonderheiten, potenzielle Dopingproblematik etc. Leistungsvergleiche zwischen jüngeren Profisportlern und Amateuren im Seniorenalter mögen einfach und schnell durchführbar sein, sie reflektieren aber sicherlich nicht die bevölkerungsrelevanten altersphysiologischen Veränderungen im Ausdauerbereich.
Generelles Problem bei der Ermittlung altersbedingter Leistungsänderungen ist die schwierige Abgrenzung von physiologischen Alterungsprozessen und Effekten, die durch veränderte Alltagsgewohnheiten (zum Beispiel inaktiverer Lebensstil) verursacht werden. Dies wurde in vielen sportmedizinischen Studien, die sich häufig auf kleine Populationen stützten, nicht berücksichtigt und hat letztlich zur Annahme geführt, dass es bereits ab dem 30. Lebensjahr zu „schicksalhaften“ Leistungsverlusten kommt. Diese These ist angesichts der vorliegenden Daten nicht länger aufrecht zu halten.
Die Ausführungen von Kollegen Scherer machen es erforderlich, erneut auf die Zielsetzung der PACE-Studie hinzuweisen. Über die Analyse einer Subpopulation der Bevölkerung, die erfolgreich und selbstmotiviert gesundheitsrelevante Bewegungs- und Verhaltensmaßnahmen praktiziert, sollte unter anderem das Potenzial von regelmäßigem Training für eine inaktive und alternde Gesellschaft deutlich gemacht werden. Ziel unserer Studie war es aber nicht, ein repräsentatives Abbild des Ist-Zustandes in der Gesellschaft darzulegen. Insofern sind das Zahlenverhältnis von Marathonläufern zur Allgemeinbevölkerung und die Frage, ob es sich um ein soziologisches Phänomen handelt, hier nicht von Belang. Wir teilen die Auffassung von Professor Scherer, dass die von ihm zitierten Statistiken ein düsteres Bild des Ist-Zustandes zeigen und es ein „enormes Verbesserungspotenzial bei der Sportförderung“ der Bevölkerung gibt.
Zu dem Leserbrief von Herrn Prof. Dr. med. Ulmer: Es ist unstrittig, dass Kenntnisse über „Sport-Kontraindikationen“ und „Sport-Nebenwirkungen“ in der sportärztlichen und allgemeinmedizinischen Praxis hohe Relevanz besitzen. Dies ist in den DGSP-Empfehlungen und in zahlreichen Monographien, wie auch in eigenen Publikationen immer wieder thematisiert worden (2, 3). Zudem werden aufmerksame Leser im Artikel (Diskussion) entsprechende Hinweise finden.
Ebenso unstrittig ist allerdings die große Bedeutung regelmäßiger körperlicher Aktivitäten in Prävention und Therapie (4). Offenbar hat sich Kollege Ulmer – obwohl im Artikel mit eigener Überschrift („Marathon als leistungsphysiologisches Untersuchungsmodell“) und Absatz hervorgehoben – die eigentliche Fragestellung, methodischer Ansatz und Zielsetzung der statistischen Analyse nicht erschlossen. Die PACE-Studie zeigt, dass Leistungseinbußen im mittleren Lebensalter weniger auf physiologische Alterungsprozesse, sondern vielmehr auf ungünstige Alltagsgewohnheiten und fehlendes Training zurückzuführen sind.
DOI: 10.3238/arztebl.2011.0207
Prof. Dr. med. Dr. Sportwiss. Dieter Leyk
Institut für Physiologie und Anatomie
Am Sportpark Müngersdorf 6
50933 Köln
E-Mail: Leyk@dshs-koeln.de
Interessenkonflikt
Alle Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
1. | Leyk D, Erley O, Ridder D, Leurs M, Rüther T, Wunderlich M, Sievert A, Baum K, Essfeld D: Age related changes in marathon and half-marathon performances. Int J Sports Med 2007; 28: 513–7. MEDLINE |
2. | Löllgen H, Leyk D, Hansel J: The pre-participation examination for leisure physical activity – General medical and cardiological issues. Dtsch Arztbl Int 2010; 107: 742–9. VOLLTEXT |
3. | Leyk D, Rüther T, Wunderlich M, Heiss A, Ridder D, Küchmeister G, Löllgen H: Sporting activity, prevalence of overweight, and risk factors – cross-sectional study of more than 12500 participants aged 16 to 25 years. Dtsch Arztbl Int 2008; 105: 793–800. VOLLTEXT |
4. | Leyk D: The preventive and therapeutic roles or regular physical activity. Dtsch Arztebl Int 2009; 106: 713–4. VOLLTEXT |
5. | Leyk D, Rüther Th, Wunderlich M, et al.: Physical performance in middle age and old age: Good news for our sedentary and aging society. Dtsch Arztebl Int 2010; 107(46): 809–16. VOLLTEXT |