MEDIZINREPORT
Terminale Herzinsuffizienz: Unterstützungssysteme werden heute nicht nur passager eingesetzt


Bei hochgradiger Herzinsuffizienz sind mechanische Unterstützungssysteme eine zeitlich begrenzte Alternative zur Organtransplantation. Inzwischen wird das „Bridging“ für immer mehr Patienten zur Langzeitperspektive.
Bereits seit Jahrzehnten kommen bei Patienten mit terminaler Herzinsuffizienz linksventrikuläre Unterstützungssysteme (Ventricular Assist Device, VAD) zum Einsatz – meist zur Überbrückung der Wartezeit auf ein Spenderherz oder als lebensrettende Maßnahme im kardiogenen Schock. Nicht zuletzt der eklatante Mangel an Spenderorganen hat die Entwicklung von technisch ausgereiften Unterstützungssystemen vorangetrieben, von denen allerdings noch keines voll implantierbar ist. Dennoch: Die leichten, mit einer externen Energieversorgung gekoppelten Assist-Systeme geben den Patienten ein Stück Lebensqualität zurück, und das nicht nur für wenige Wochen oder Monate.
Mehr als 8 000 Personen weltweit stehen jährlich auf der Warteliste für eine Herztransplantation – weniger als 4 000 jedoch erhalten tatsächlich ein Spenderherz. Parallel dazu hat sich das Indikationsgebiet für mechanische Unterstützungssysteme ausgeweitet. Derzeit gibt es drei große Gruppen:
- Bridge to Transplantation (zur Überbrückung der Wartezeit, wobei VAD durch Verbesserung der Endorganperfusion die Erfolgsaussichten der Herztransplantation verbessern können). „Wird das Unterstützungssystem relativ frühzeitig implantiert, können neun von zehn Patienten damit noch mindestens ein Jahr leben“, betonte Prof. Dr. med. Jan Gummert (Bad Oeynhausen): „Auch die Zweijahresüberlebensraten betragen bei Verwendung moderner, nichtpulsatiler Systeme nahezu 80 Prozent.“
- Chronic Implantation (als Alternative zur Transplantation, wenn diese kontraindiziert ist oder abgelehnt wird)
- Bridge to Recovery. Dieses Verfahren setzt eine vollständige Erholung der Myokardfunktion unter VAD-Therapie voraus, was besonders bei jungen Patienten – etwa solchen mit akuter Myokarditis oder mit dilatativer Kardiomyopathie – mitunter erreicht werden kann.
Die Wahl des Systems hängt von der Dauer der (geplanten) Unterstützung, der Beteiligung der linken und/oder rechten Herzkammer, der noch vorhandenen kardialen Eigenleistung, dem Alter und der Größe des Patienten ab.
Schwierige Grundsatzfragen
Neben technischen Fragen wird die Kunstherztherapie auch von juristisch-ethischen Aspekten berührt. Denn im Spannungsfeld zweier potenziell lebensrettender Therapien – Herztransplantation und VAD-Implantation – ergeben sich zwangsläufig Grundsatzfragen wie:
- Welche Kriterien entscheiden darüber, ob transplantiert oder überbrückt wird?
- Ist ein Patient mit VAD noch ein Kandidat für eine Transplantation?
- Wenn das Kunstherz die finale Therapie ist – wann darf es ausgeschaltet werden?
Die Entscheidung für oder gegen ein (zumeist linksventrikuläres) Unterstützungssystem fällt bei keinem Patienten leicht, denn die Implantation eines VAD ist ein großer chirurgischer Eingriff an einem stark vorgeschädigten Herzen. Postoperativ sind ein erhöhtes Schlaganfallrisiko und die vor allem durch die implantierten Fremdkörper bedingte Infektionsgefahr zu bedenken.
Bei Patienten, die zum Beispiel wegen ihres hohes Alters oder einer onkologischen Grunderkrankung nicht transplantiert werden können, ist das VAD eine mögliche Alternative („Chronic Implantation“). Mit dieser Intention werden derzeit etwa 15 Prozent der Systeme implantiert; die meisten Patienten bekommen das Unterstützungssystem primär zur Überbrückung bis zur Transplantation. Denn wenn sich der Gesundheitszustand auf der Transplantationswarteliste rapide verschlechtert, wird das Kunstherz zum temporären Lebensretter.
Mit einem Pumpvolumen von bis zu zehn Litern pro Minute sind die neueren VAD so leistungsstark, dass der Geräteträger wieder Treppen steigen und Rad fahren kann. „Er braucht zwar eine Therapie mit Antikoagulanzien, aber deutlich weniger Medikamente zur Behandlung der Herzinsuffizienz“, sagte Gummert. Hinter der Aussicht auf mehr Lebensqualität und Lebenszeit – einige Patienten tragen ihr VAD bereits vier Jahre und länger – treten die Schattenseiten der Kunstherztherapie leicht in den Hintergrund. „Wir würden diese Patienten gern innerhalb eines Jahres transplantieren, denn bei längerer Tragezeit steigt die Komplikationsrate“, erklärte Gummert. Ob allerdings VAD-Patienten mit Komplikationen auch künftig die oberen Plätze auf der Transplantationswarteliste besetzen dürfen, wird in Fachkreisen heftig diskutiert (siehe Kasten).
Wann darf der Tod kommen?
Nicht minder brisant ist die Frage, wann das Kunstherz ausgeschaltet wird. VAD-Patienten haben aufgrund ihrer schweren Grunderkrankung eine begrenzte Lebenserwartung und setzen sich in der Regel aktiv mit Sterben und Tod auseinander, erläuterte Dipl.-Psych. Katharina Tigges-Limmer (Bad Oeynhausen). Sie seien in einer besonders schwierigen psychischen Verfassung und entwickelten dem Gerät gegenüber ambivalente Gefühle, denn es sichere nicht nur das Überleben, sondern verhindere auch das Sterben. Die Tatsache, dass der Herztod nur durch Abschalten des Geräts herbeigeführt werden kann, stellt für Patienten, Angehörige und für den handelnden Arzt eine große Belastung dar. In einer solchen Grenzsituation entscheiden sich manche Patienten dafür, die Verbindung zwischen Kabel und Implantat zu trennen.
Die Hemmschwelle für einen VAD-Suizid ist offenbar relativ niedrig (Tigges-Limmer K et al.: J Heart Lung Transplant 2010; 29: 692–4), und dies unterstreicht die Notwendigkeit eine intensiven psychologischen Betreuung von Patienten mit Unterstützungssystemen.
Dr. med. vet. Beate Grübler
Quelle: 5th European Mechanical Circulatory Support Summit (EUMS), Bad Oeynhausen 2010
3 Fragen an . . .
Prof. Dr. med. Jan Gummert, Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie am Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen
Was sind die wesentlichen Fortschritte bei der mechanischen Herzunterstützung?
Gummert: Die Entwicklung nichtpulsatiler Systeme hat uns wesentlich vorangebracht. Diese Geräte erzeugen einen kontinuierlichen Blutfluss, es entsteht also keine Pulswelle mehr. Damit kommen die Patienten gut zurecht, die Komplikationsrate ist sogar geringer als bei den Vorgängermodellen. Die jetzt sehr kleinen und leichten VAD können teilweise in den Herzbeutel implantiert werden und bringen den Patienten deutlich mehr Lebensqualität. Noch besser wäre ein voll implantierfähiges System, aber das wird es frühestens in einigen Jahren geben.
Wird der Bedarf an mechanischer Kreislaufunterstützung zunehmen?
Gummert: Das ist aufgrund der demografischen Entwicklung zu erwarten. Auch wird heute tendenziell früher auf eine mechanische Unterstützung gewechselt als noch vor einigen Jahren, als die Aussicht auf eine circa drei Kilogramm schwere Herzpumpe eine eher abschreckende Wirkung hatte. Die Indikation zu einem solchen Eingriff ist dennoch streng zu stellen, es handelt sich in der Regel um Patienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz im NYHA-Stadium IIIb/IV, die ohne Transplantation beziehungsweise Assistenzsystem eine sehr ungünstige Prognose haben.
Mit der Entscheidung für ein VAD rückt der Patient auf der Warteliste für eine Transplantation wieder ans Ende. Erst bei schwerwiegenden Komplikationen mit dem System wird der Patient auf der höchsten Dringlichkeitsstufe eingestuft. Warum wird das so kritisch bewertet?
Gummert: Je früher ein VAD gegen ein Spenderherz ausgetauscht wird, umso besser. Pro Jahr stehen aber nur etwa 350 Spenderherzen in Deutschland zur Verfügung, und wenn diese vorrangig an VAD-Patienten mit schwerwiegenden Komplikationen gehen, müssen andere Patienten – darunter viele mit einer vergleichsweise besseren Prognose – auf die Transplantation verzichten. Denn die Transplantation eines VAD-Patienten mit schweren Komplikationen ist mit einem deutlich erhöhten Risiko behaftet. Derzeit wird diskutiert, wie man die Listung von VAD-Patienten mit und ohne Komplikationen ändern könnte, um eine möglichst gerechte und sinnvolle Verteilung der Spenderorgane zu ermöglichen. Das ist ein medizinethisches Problem, welches generell gelöst werden muss. Der einzelne Arzt kann das nicht entscheiden. Wenn die Bereitschaft zur Organspende größer wäre, müsste überhaupt nicht über eine Rationierung nachgedacht werden.