EDITORIAL
Neuregelung des Glücksspielstaatsvertrags: Das Suchtrisiko bleibt


Die Ministerpräsidenten der Bundesländer haben sich auf Eckpunkte für einen neuen Glücksspielstaatsvertrag geeinigt. Bundesweit wollen sie sieben Konzessionen an private Anbieter von Sportwetten im Internet vergeben, zunächst für fünf Jahre. Das staatliche Monopol für Lotto und die Sportwetten Oddset und Keno bleibt erhalten. Sportwetten privater Anbieter waren bisher ungeregelt oder illegal, finden aber immer mehr Zulauf, weil sie attraktivere Quoten anbieten können. Mehr als fünf Milliarden Euro werden nach Schätzungen jährlich damit umgesetzt. Doch die staatlich konzessionierte Legalität schränkt die Suchtgefahren keineswegs ein, und Sportwetten im Internet stehen in der Skala der Spielsüchte nach Geldspielautomaten gleich an zweiter Stelle.
Fast eine halbe Million Menschen in Deutschland gelten nach den Erkenntnissen des aktuellen Projekts Pathologisches Glücksspielen und Epidemiologie (PAGE) der Universitäten Greifswald und Lübeck als spielsüchtig. Knapp 800 000 Menschen werden als problematische Spieler bezeichnet. Sportwetten im Internet machen nach Einschätzung des Glücksspielexperten Ingo Fiedler von der Universität Hamburg schnell süchtig, besonders wenn sie während eines Sportereignisses stattfinden. Es komme häufig zu einem Kontrollverlust, der 2010 bereits mit privaten Verlusten von 265 Millionen Euro einherging.
Sinnvoll wäre daher ein grundsätzliches Verbot von Sportwetten im Internet. Dies ist jedoch nur schwer durchzusetzen, weil die Anbieter der Glücksspiele im Ausland sitzen. So werden sie also unter das Dach des Glücksspielstaatsvertrags der Bundesländer genommen. Der erst 2008 in Kraft getretene Vertrag soll grundsätzlich den Gedanken des Spielerschutzes in den staatlichen Glücksspielmarkt implementieren – das staatliche Monopol für Lotto, bestimmte Sportwetten und Spielbanken einschließlich der dort aufgestellten Spielautomaten wird damit begründet. Bei den staatlichen Angeboten können der Jugendschutz kontrolliert und suchtkranke Spieler gesperrt werden. Gleichzeitig investieren die Länder in Hilfsangebote für Glücksspielsüchtige.
Neu geregelt werden muss der Glücksspielstaatsvertrag zum Beginn des nächsten Jahres aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom September 2010: Die Suchtbekämpfung wird nach Ansicht der Richter nicht bei allen Spielarten konsequent verfolgt. Doch nur so sei das Monopol des Staates überhaupt zu rechtfertigen. Neben den privaten Sportwetten betrifft die Kritik das Automatenspiel in gewerblichen Spielhallen und Gaststätten. Hierfür gelten keinerlei Schutzvorschriften, weil das Gewerbe nicht dem Glücksspielstaatsvertrag unterliegt. Dringend notwendig wäre es, das gewerbliche Automatenspiel in das Sperrsystem der Spielbanken zu integrieren.
Bleibt auch die Frage, ob kommerzielle Anbieter von Sportwetten sich überhaupt um die Konzessionen in Deutschland bewerben. Die Abgaben von mehr als 16 Prozent des Spieleinsatzes sind hoch. Illegale Sportwetten werden vermutlich weiterhin daneben bestehen bleiben. Die geplante Neuregelung des Glücksspielstaatsvertrags erscheint bisher unausgegoren.