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USA: Häufige Interessenkonflikte bei Leitlinien-Autoren


Mehr als die Hälfte aller Autoren von kardiologischen Behandlungsleitlinien hat in den USA finanzielle Beziehungen zur Industrie. Nicht wenige sind Aktionäre der Firmen, deren Produkte sie in den Leitlinien bewerten. Dies zeigt eine Analyse in den „Archives of Internal Medicine“ (2011; 171: 577–84). Ein prominenter Kritiker befürchtet einen irreparablen Schaden für die evidenzbasierte Medizin.
Todd Mendelson von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia hat 17 Leitlinien des American College of Cardiology und der American Heart Association aus den Jahren 2004 bis 2008 ausgewertet. Nach seinen Recherchen hatten 277 von 498 Autoren einen Interessenkonflikt, was einem Anteil von 56 Prozent entspricht. Der Anteil der Autoren mit Interessenkonflikt schwankte unter den einzelnen Leitlinien zwischen 13 und 87 Prozent. Am häufigsten waren Interessenkonflikte durch Beratertätigkeit, gefolgt von Forschungstätigkeiten, Rednerhonoraren und Aktienbesitz (oder anderen Beteiligungen). Die Gelder kamen von 510 Firmen. Da Behandlungsleitlinien durch ihre Empfehlungen eine Breitenwirkung erzielen sollen, sind Interessenkonflikte nach Ansicht von Mendelson bedenklich, zumal der Anteil der Empfehlungen, die auf Expertenmeinungen („Level C“) basieren, in jüngster Zeit wieder zugenommen haben soll.
Für Stephen Nissen von der Cleveland Clinic Foundation ist die Praxis mehr als bedenklich. Der Kardiologe fordert im Editorial, dass Autoren mit Interessenkonflikten grundsätzlich von der Teilnahme an Behandlungsleitlinien ausgeschlossen werden sollten. Das Argument, dass es dann nicht mehr genügend Experten gebe, lässt Nissen nicht gelten. Immerhin hätten ja 44 Prozent der Autoren keine Interessenkonflikte angegeben. Besonders gravierend ist Nissen zufolge, dass die Vorsitzenden der Autorenkomitees sogar zu 81 Prozent Interessenkonflikte hatten. Es bestehe die Gefahr, dass die Entscheidungsprozesse, die zu den Empfehlungen führten, ernsthaft beeinflusst würden. Besonders groß sei die Gefahr, wenn die Autoren als Teilhaber mit an den Produkten verdienten, die sie bewerteten. Nissen erwähnte eine Leitlinie zur perkutanen koronaren Intervention, wo der Anteil der Aktionäre unter den Autoren bei einem Drittel lag.
Auch die kardiologischen Fachgesellschaften, die die Leitlinien herausgeben, finanzieren sich zum Teil durch Spenden aus der Industrie. Diese Beziehungen schaffen nach Ansicht Nissens eine Abhängigkeit, die nur schwer zu beenden sein werde. rme