MEDIZIN: Kurzberichte
Salai-Guggal-(Indischer Weihrauch-) Gummiharz aus Boswellia serrata: Boswelliasäuren als Nicht-Redoxhemmstoffe der Leukotrienbiosynthese - Neue therapeutische Möglichkeit?


Stichwörter: Weihrauch, Boswelliasäuren, Leukotriene, chronisch rheumatische Polyarthritis, Colitis ulcerosa
Präparationen aus Salai Guggal, dem Harz des indischen Weihrauchbaumes, werden in Indien in der
traditionellen Medizin zur Behandlung von Entzündungen angewendet. Inhaltsstoffe des Weihrauchs, die an der
entzündungshemmenden Wirkung beteiligt sein dürften, sind Boswelliasäuren (pentazyklische Triterpene). Diese
hemmen in nichtkompetitiver Weise die Aktivität der 5-Lipoxygenase und führen so am Modell neutrophiler
Granuloyzten zur Hemmung der Leukotrienbiosynthese. Die Wirkung erfolgt nach Bindung von
Boswelliasäuren an das Enzym. Es gibt eine Reihe chronischer entzündlicher Erkrankungen, für deren Fortgang
eine erhöhte Leukotrienbiosynthese mitverantwortlich gemacht wird. Bei klinischen Untersuchungen konnte
bisher eine Wirksamkeit bei Patienten mit chronischer rheumatoider Polyarthritis sowie Colitis ulcerosa
beobachtet werden.
Key words: Boswellia resin, boswellic acids, leukotrienes, rheumatoid arthritis, colitis ulcerosa
Preparations from the gum resin of Boswellia serrata have been used as a traditional remedy in Ayurvedic
medicine
in India for the treatment of inflammatory diseases. Compounds from the gum with genuine antiinflammatory
effects are pentacyclic triterpenes of the boswellic acid type. Boswellic acids inhibit the leukotriene biosynthesis
in neutrophilic granulocytes by a noncompetitive inhibition of 5-lipoxygenase. The effect is triggered by
boswellic acids binding to the enzyme. A series of chronic inflammatory diseases are thought to be perpetuated
by leukotrienes. In clinical trials promising results were observed in patients with rheumatoid arthritis and colitis
ulcerosa.
Salai Guggal ist ein traditionelles Arzneimittel aus der ayurvedischen Medizin, das in Indien für eine Reihe von
entzündlichen Erkrankungen, wie zum Beispiel rheumatoide Arthritis, Osteoarthritis und zervikale Spondylosis,
verwendet wird. Es handelt sich um das Gummiharz von Boswellia serrata Roxb. Die Hauptbestandteile dieses
Gummiharzes sind Boswelliasäuren und andere Verbindungen, wie ätherische Öle, Terpinole, Arabinose,
Xylose, Galaktose, Uronsäuren, b-Sitosterin und Phlobaphene. Tabletten aus Extrakten von Salai Guggal werden
in Indien für die Behandlung der chronischen Polyarthritis unter dem Handelsnamen Sallaki(tm) und H15(tm)
hergestellt. Sallaki(tm) ist in Indien ein zugelassenes Arzneimittel. Das identische H15(tm) ist in der Schweiz in
einem Kanton registriert. Salai Guggal und Boswelliasäuren besitzen entzündungshemmende Eigenschaften, wie
in einer Vielzahl von Tiermodellen nachgewiesen werden konnte (14, 20, 21). Boswelliasäuren sind auch
Bestandteile des Gummiharzes von Boswellia carterii Birdw., das in deutschen Arzneibüchern (Ergänzungsband
DAB 6 und DAB 1) als Olibanum geführt wurde. Die bisher bekannten pharmakologischen Wirkungen von
Olibanum werden als entzündungshemmend, analgetisch, immunsuppressiv, hepatoprotektiv und antimikrobiell
beschrieben (9, 11, 12, 22). Von Boswelliasäuren wurde gezeigt, daß sie ähnliche Eigenschaften besitzen.
Therapeutischer Einsatz
Entzündungen sind charakterisiert durch Rötung, Wärme, Schwellung, Schmerz und gestörte Organfunktion.
Diese Symptome werden durch eine Anzahl von Entzündungsmediatoren hervorgerufen. Die gegenwärtige
Behandlung von Entzündungen erfolgt durch Verbindungen, welche die Prostaglandinsynthese hemmen; sie
werden als nichtsterodiale Antiphlogistika/Antirheumatika bezeichnet. Glukokortikoide hemmen die Bildung
von Prostaglandinen und Leukotrienen. Beide Kategorien dieser entzündungshemmenden Arzneistoffe sind
jedoch mit einer ganzen Reihe zum Teil schwerer Nebenwirkungen verbunden. Dies gilt insbesondere für die
chronische Anwendung von Glukokortikoiden. Gegenwärtig gibt es auf dem deutschen Markt keine
Arzneistoffe, die selektiv die Biosynthese von Leukotrienen hemmen.
Prostaglandine und Leukotriene werden über die sogenannte Arachidonsäurekaskade gebildet. Die ersten
Untersuchungen über eine mögliche Hemmwirkung von Salai Guggal auf die Synthese von Leukotrienen wurde
1991 von Ammon und Mitarbeitern publiziert (1). Dabei zeigte sich eine konzentrationsabhängige
Hemmwirkung auf die Bildung von Leukotrienen und anderen 5-Lipoxygenaseprodukten, und zwar in einem Invitro-Modell, das sich neutrophiler Granulozyten der Ratte bediente. Diese überraschende Beobachtung löste
weitere Studien zu der Frage aus, ob der mit dem Gummiharz beobachtete Effekt möglicherweise auf die darin
enthaltenen Boswelliasäuren zurückzuführen sein könnte. In der Tat gelang es dann, mit Acetyl-Boswelliasäuren
aus Olibanum eine Hemmwirkung auf die Leukotrienbiosynthese von neutrophilen Granulozyten nachzuweisen,
wenn diese vorher mit Kalziumionophor stimuliert wurden (15). Unter den Boswelliasäuren war die Acetyl-11keto-Boswelliasäure in vitro am stärksten (IC50 = 1,5 µM). Weitere Untersuchungen über mögliche Effekte
eines Acetyl-Boswelliasäuregemisches auf die Cyclooxygenase oder 12-Lipoxygenase ergaben, daß dieses
weder die Prostaglandinsynthese noch die 12-Lipoxygenaseaktivität zu beeinflussen vermochte. Die Ergebnisse
lassen vermuten, daß diese Naturstoffe im Rahmen der Arachidonsäurekaskade lediglich die Bildung von
Leukotrienen hemmen. Da viele bisher bekannte Hemmstoffe der Leukotrienbiosynthese Antioxidantien sind,
wurde geprüft, ob auch Boswelliasäuren über einen antioxidativen Effekt verfügen. Dies war jedoch nicht der
Fall (15). Es scheint, daß wir es bei den Boswelliasäuren mit spezifischen Nicht-Redoxhemmstoffen der 5Lipoxygenase zu tun haben. Weitere Studien zu diesem Thema ergaben, daß es sich um eine nichtkompetitive
und reversible Wirkung an diesem Enzym handelt (16, 17, 18). In der Zwischenzeit konnte auf der Lipoxygenase
eine kalziumregulierende Bindungsstelle für Boswelliasäuren identifiziert werden (19). Ob es für eine solche
Bindungsstelle auch einen physiologischen Liganden gibt, ist derzeit nicht bekannt. Natürlich ist mit diesen
Ergebnissen nicht gesagt, daß das Naturprodukt nicht auch noch über andere Wirkungsmechanismen verfügt.
Über die Hemmwirkung auf die Leukotrienbiosynthese hinaus wurde in der Zwischenzeit beschrieben, daß
Boswelliasäuren, allerdings in wesentlich höheren Konzentrationen, in vitro die Proliferation von Tumorzellen
wie HL60 und CCRF-CEM (7, 8) Gliobastomzellen (6) und Melanomzelolen (3) hemmen. Bei HL60-Zellen
wurde neben der Hemmung der Zellvermehrung Induktion von Apoptose und Hemmung der Topoisomerase I
beobachtet (7).
Leukotriene verfügen über eine Reihe von Wirkungen, von denen die meisten am Entzündungsgeschehen
beteiligt sind. Es wurden jedoch auch bronchokonstriktorische Effekte beschrieben. Es gibt eine Vielzahl von
chronischen entzündlichen Erkrankungen, bei denen eine gesteigerte Leukotrienproduktion als mitverantwortlich
für die Aufrechterhaltung der chronischen Entzündung gesehen wird. Zu diesen Erkrankungen gehören Colitis
ulcerosa, Morbus Crohn, Asthma bronchiale, rheumatoide Arthritis und andere (13). Diese Kenntnisse führten
dazu, daß in der Vergangenheit viele Anstrengungen unternommen wurden, Substanzen zu finden, die in der
Lage sind, speziell die Synthese von Leukotrienen zu hemmen. Von den bisher untersuchten Stoffen hat jedoch
keiner den Markt erreicht, und zwar in erster Linie wegen erheblicher Toxizität. Was das Harz aus
Boswelliaarten anlangt, so ist dessen Toxizität äußerst gering, und Nebenwirkungen wurden bei
bestimmungsgemäßem Gebrauch nur in geringem Umfang (gastrointestinale Beschwerden [4], allergische
Reaktionen) beschrieben.
Aktuelle Studienergebnisse
In einigen klinischen Untersuchungen (offen und plazebokontrolliert) wurden Extrakte aus dem Gummiharz von
Boswellia serrata bei einer limitierten Anzahl von Patienten mit chronischer Polyarthritis angewendet (10). Die
Ergebnisse scheinen vielversprechend. So zeigten sich in etwa 60 bis 70 Prozent der Fälle ein Rückgang der
Schmerzen, der Schwellung und der Gelenksteifigkeit. Das Gleiche scheint für die Behandlung der Colitis
ulcerosa zu gelten, bei der kürzlich in einer offenen Studie in Indien an 34 Patienten, die sechs Wochen lang eine
tägliche Behandlung mit einem alkoholischen Extrakt aus dem Harz von Boswellia serrata erhalten haben, in 80
Prozent der Fälle eine Remission auftrat. Die Ergebnisse waren ähnlich
denen einer Kontrollgruppe mit dem
Referenzpräparat Sulfasalazin (4). Es wurde berichtet, daß Extrakte aus Boswellia-serrata-Harz (H15) bei
Patienten mit Hirntumoren das peritumorale Hirnödem drastisch reduzierten (2, 5).
Resümee
Wir sind uns natürlich im Klaren, daß diese ersten klinischen Ergebnisse nicht ausreichen, um
Zulassungsbehörden von der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit jetzt schon zu überzeugen. Die bisherigen
Daten ermutigen jedoch, weitere Untersuchungen anzuregen, mit dem Ziel herauszufinden, inwieweit auch
andere Krankheiten, bei denen eine vermehrte Bildung von Leukotrienen eine wichtige Rolle spielt, auf eine
Behandlung mit Extrakten aus dem Harz von Boswellia serrata oder sogar isolierten Boswelliasäuren
ansprechen. Dies um so mehr, als nicht davon auszugehen ist, daß von Boswellia bei bestimmungsgemäßem
Gebrauch schwerwiegende Nebenwirkungen, wie sie bei klassischen Antiphlogistika/Antirheumatika bekannt
sind, auftreten.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1998; 95: A-30-31
[Heft 1-2]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser
und über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift des Verfassers
Prof. Dr. med. Hermann P. T. Ammon
Pharmazeutisches Institut
Auf der Morgenstelle 8
72076 Tübingen
1. | Ammon HPT, Mack T, Singh GB, Safayhi H: Inhibition of leukotriene B4 formation in rat peritoneal neutrophils by an ethanolic extract of the gum resin exudate of Boswellia serrata. Planta Med 1991; 57: 203-207. |
2. | Böker C, Winking M: Die Rolle von Boswelliasäuren in der Therapie maligner Gliome. Dt Ärztebl 1997; 94: A-1197-1199 [Heft 18]. |
3. | Bogenrieder T, Glaessl A, Bosserhoff AU et al.: Analysis of pentacyclic triterpene-mediated antiproliferative effects on malignant melanoma cells. Proc Am Assoc Canc Res 1997; 38: 1458. |
4. | Gupta I, Parihar A, Malhotra P et al.: Effects of boswellia serrata gum resin in patients with ulcerative colitis. Eur J Med Res 1997; 2: 1-7. |
5. | Heldt RM, Winking M, Simmet T: Cysteinyl-leukotrienes as potential mediators of the peritumoral brain oedema in astrocytoma patients. Naunyn Schmiedeberg's Arch Pharmacol 1996; 353-354, Abstr 538. |
6. | Heldt R, Syrorets T, Winking M et al.: Boswellic acids exhibit cytotoxic effects on brain tumor cells independent from 5-lipoxygenase inhibition. Naunyn Schmiedeberg's Arch Pharmacol 1997; 355 (Suppl). |
7. | Hoernlein RF, Orlikowsky F, Zehrer C et al.: Acetyl-11-keto-boswellic acid induces apoptosis in HL60 and CCRF-CEM cells and inhibits topoisomerase I. Proc Am Assoc Canc Res 1997; 38: 1291. |
8. | Jing Y, Xia L, Han R: Growth inhibition and differentiation of promyelo- cytic cells (HL-60) induced by BC-4, an active principle from Boswellia carterii Birdw. Clin Med Sci J 1992; 7: 12-15. |
9. | Kar A, Menon MK: Analgesic effect of the gum resin of Boswellia serrata Rosb. Life Sci 1969; 8: 1023-1028. |
10. | Letzel H, Koepcke W, Kriegel W et al.: Klinische Wirksamkeit des Weihrauchpräparates H15 bei rheumatischer Arthritis: Ein neues Therapieprinzip durch spezifische 5-Lipoxygenase-Inhibition? 26. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, Berlin, 1994. |
11. | Madaus G: Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Leipzig: Georg Olms, 1938. |
12. | Martinez D, Lohs K, Janzen J: Weichrauch und Myrrhe: Kulturgeschichte und wirtschaftliche Bedeutung; Botanik, Chemie, Medizin. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlags-Gesellschaft, 1988. |
13. | Mayatepek E, Hoffmann GF: Leukotrienes: biosynthesis, metabolism, and pathophysiologic significance. Pediatric Res 1995; 37: 1-9. |
14. | Safayhi H, Mack T, Ammon HPT: Protection by boswellic acids against galactosamine / endotoxin-induced hepatitis in mice. Biochem Pharmacol 1991; 41: 1536-1537. |
15. | Safayhi H, Mack T, Sabieraj J, Anazodo MI, Subramanian LR, Ammon HPT: Boswellic acids: Novel, specific, nonredox inhibitors of 5-lipoxygenase. J Pharmacol Exp Ther 1992; 261: 1143-1146. |
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17. | Sailer ER, Hoernlein RF, Subramanian LR, Ammon HPT, Safayhi H: Preparation of novel analogues of the nonredox-type non-competitive leukotriene biosynthesis inhibitor AKBA. Arch Pharm 1996; 329: 54-55. |
18. | Sailer ER, Subramanian LR, Rall B, Hoernlein RF, Ammon HPT, Safayhi H: Acetyl-11-keto-b-boswellic acid (AKBA): Structure requirements for binding and 5-lipoxygenase inhibitory activity. Br J Pharmacol 1996; 117: 615-618. |
19. | Sailer ER, Ammon HPT, Safayhi H: Identification of a binding site for acetyl-1-keto-boswellic acid on human 5-lipoxygenase by photoaffinity labeling. Naunyn Schmiedeberg's Arch Pharmacol 1997; 355 (Suppl). |
20. | Sharma ML, Bani S, Singh GB: Antiarthritic activity of boswellic acids in bovine serum albumin (BSA)-induced arthritis. Int J Immunopharmacol 1989; 11: 647-652. |
21. | Singh GB, Atal CK: Pharmacology of an extract of salai guggal ex-Boswellia serrata, a new non-steroidal anti-inflammatory agent. Agents Actions 1986; 18: 407-412. |
22. | Wagner H, Knaus W, Jordan E: Pflanzeninhaltsstoffe mit Wirkung auf das Komplementsystem. Z Phytotherapie 1987; 8: 148-149. |
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