MEDIZIN: Kurzberichte
Antivirale Therapie des Zoster
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Infolge der hohen Zosterinzidenz unter der älteren Bevölkerung und dem erhöhten Krankheitsrisiko immunsupprimierter Patienten treten immer häufiger schwere Zostererkrankungen auf, die eine antivirale Behandlung erforderlich machen. Im Unterschied zu den meisten anderen Viruserkrankungen stehen für die Zosterbehandlung wirkungsvolle Virostatika zur Verfügung. Bei frühzeitigem Therapiebeginn kann die Abheilung der Hautläsionen beschleunigt, der zosterassoziierte Schmerz reduziert und das Auftreten anderer Komplikationen verhindert werden.
Key words: Zoster, antiviral treatment, Aciclovir, Brivudin, Famciclovir, Valaciclovir
Due to the high incidence of herpes zoster in the elderly population and in immunocompromised patients, the frequency of severe zoster disease requiring antiviral therapy is increasing. In contrast to most other viral infections, effective antiviral drugs are available for the treatment of herpes zoster. When initiated early, antiviral treatment may speed rash healing, decrease pain and prevent other complications.
Mit Aciclovir, Brivudin, Famciclovir und Valaciclovir, sind in Deutschland vier Medikamente zur Behandlung
des Zoster zugelassen, über deren Wirksamkeit Daten aus klinischen Studien vorliegen.
Die beteiligten Autoren (siehe Textkasten) haben untengenannte Fragen der individuellen Indikation, Dosierung,
Therapiedauer diskutiert und entsprechende Vorschläge erarbeitet.
Behandlungsziele
Die antivirale Behandlung des Zoster bei immunkompetenten Patienten hat vor allem die Verhinderung oder
Verkürzung der Dauer der postzosterischen Neuralgie zum Ziel. Außerdem sollen die akute Krankheitsphase
(gemessen an der Fiebersenkung, am Stopp der Bläscheneruption, an der Beschleunigung der Abheilung der
Hautläsionen und der Linderung des akuten Zosterschmerzes) verkürzt und eine Narbenbildung verhindert
werden.
Ein weiteres Behandlungsziel ist es, möglichen Komplikationen vorzubeugen, wie zum Beispiel der kutanen
oder viszeralen Disseminierung bei Immunsupprimierten, der Augenbeteiligung, dem Befall des Zentralen
Nervensystems oder kranialer Nerven bei Patienten mit Zoster im Kopfbereich.
Indikationen
Folgende Patienten mit Zoster sollten unverzüglich antiviral behandelt werden: jeder immunsupprimierte Patient
(zum Beispiel therapiebedingte Immunsuppression, maligne Grundkrankheit, bei HIV-Infektion), Patienten über
50 Jahre, Patienten mit Zoster im Kopfbereich, Patienten mit ausgedehntem kutanen Befall (mehr als ein
Segment oder aberrierende Bläschen), Patienten mit hämorrhagischen Läsionen sowie Patienten mit
Schleimhautbeteiligung.
Therapiebeginn
Der Behandlungserfolg ist abhängig vom Zeitpunkt des Therapiebeginns.
Daher sollte sofort oder so rasch wie möglich innerhalb von 72 Stunden nach Beginn der Hautsymptomatik die
Therapie eingeleitet werden. Ein späterer Therapiebeginn
ist noch sinnvoll, solange frische Bläschen erkennbar sind, wenn Anzeichen einer viszeralen Ausbreitung
bestehen, bei floridem Zoster ophthalmicus und Zoster oticus sowie generell bei immunsupprimierten Patienten.
Antivirale Zosterbehandlung
Die zur Zosterbehandlung in Deutschland zugelassenen Präparate Aciclovir, Brivudin, Famciclovir und
Valaciclovir sind bezüglich ihrer Wirksamkeit auf die kutanen Zosterläsionen nahezu gleichwertig (1, 2, 6, 7).
Klinische Studien weisen eine signifikant bessere Wirkung von Famciclovir und Valaciclovir im Vergleich zu
Aciclovir (oral) auf den zosterassoziierten Schmerz (akuter Zosterschmerz und postzosterische Neuralgie) aus.
Bei Famciclovir konnte dies für eine Gruppe immunkompetenter Zosterpatienten gezeigt werden, die innerhalb
von 48 Stunden nach Auftreten der Hauterscheinungen und vor Verkrustung therapiert wurden. Patienten, die
keine Schmerzen hatten, wurden in diese Analyse nicht einbezogen (2). Bei Valaciclovir wurde eine signifikante
Wirkung auf die Schmerzdauer, nicht jedoch auf die Schmerzintensität nachgewiesen, wenn immunkompetente
Zosterpatienten innerhalb von 72 Stunden nach Auftreten der Hauterscheinungen und vor Verkrustung behandelt
wurden und in der "intent-to-treat"-Analyse Patienten ohne Schmerzen mit dem Wert null Stunden
Berücksichtigung fanden (1).
Brivudin ist bezüglich seiner Wirkung auf den akuten Zosterschmerz vergleichbar mit intravenös verabreichtem
Aciclovir (7). Daten zur postzosterischen Neuralgie liegen für Brivudin nicht vor.
Additive Zostertherapie
Im Unterschied zur antiseptischen Lokaltherapie ist die topische Anwendung von Virostatika nicht zu
empfehlen. Lokal anwendbare Virostatika haben keinen Einfluß auf Ausbreitung und Abheilung der
Zostereffloreszenzen.
Eine zusätzliche hochdosierte Gabe von Steroiden verkürzt die Phase des akuten Zosterschmerzes, bringt jedoch
keinen therapeutischen Zugewinn bezüglich der postzosterischen Neuralgie (5). Bei Versagen einer
konventionellen Analgetikatherapie kann die Steroidbehandlung erwogen werden. Die Nebenwirkungen sind
sorgfältig zu beachten. Die Frage der Lokaltherapie des Zoster ophthalmicus mit Steroiden ist in
Zusammenarbeit mit dem Augenarzt zu klären. Eine additive Zostertherapie mit Vitamin B oder Interferon hat
keinen therapeutischen Effekt.
Resistenzentwicklung
Die Resistenzentwicklung von Varizella-Zoster-Virus-Stämmen gegen Nukleosidanaloga spielt bei
immunkompetenten Zosterpatienten keine Rolle. Von immunsupprimierten Patienten mit persistierenden
Zosterläsionen unter Aciclovirtherapie sind in wenigen Fällen resistente Varizella-Zoster-Viren-Stämme isoliert
worden. Es handelt sich dabei meist um Viren mit veränderter Substratspezifität der Thymidinkinase, so daß ein
oder alle der phosphorylierungspflichtigen Nukleosidanaloga unwirksam sind (3). In Anbetracht der möglichen
partiellen Kreuzresistenz kann bei Nichtansprechen auf eines der nukleosidanalogen Präparate zunächst auf ein
anderes Nukleosidanalogon umgestellt werden: von Aciclovir/Valaciclovir auf Famciclovir oder Brivudin vsv.
In kritischen Fällen sollte der Einsatz von Foscarnet-Natrium erwogen werden (4). Bei den sehr seltenen
Varizella-Zoster-Virus-Stämmen mit Mutationen im Polymerase-Gen ist auch Foscarnet-Natrium unwirksam.
Zur Dosierung und zu Nebenwirkungen von Foscarnet-Natrium siehe Fachinformation Foscavir®.
Für die Beurteilung einer möglichen Virusresistenz sind klinische Aspekte entscheidend, da die
Resistenzbestimmung in vitro noch keine Routinemethode ist.
Wenn eine solche Untersuchung gewünscht wird, sollte Kontakt zu einem auf diesem Gebiet erfahrenen
Speziallaboratorium aufgenommen werden.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1998; 95: A-95-97
[Heft 3]
Literatur
1. Beutner KR, Friedman DJ, Forszpaniak C, Andersen PL, Wood MJ: Valaciclovir compared with acyclovir for
improved therapy of herpes zoster in immunocompetent adults. Antimicrob Agents Chemother 1995; 37: 15461553.
2. Degreef H, Famciclovir Herpes Zoster Clinical Study Group: Famciclovir; a new oral antiherpes drug: results
of the first controlled clinical study demonstrating its efficacy and safety in the treatment of uncomplicated
herpes zoster in immunocompetent patients. J Antimicrob Agents 1994; 4: 241-246.
3. Kimberlin DW, Crumpacker CS, Straus ES et al.: Antiviral resistance in clinical practice. Antiviral Res 1995;
26: 423-438.
4. Safrin S, Berger TG, Gilson I et al.: Foscarnet therapy in five patients with AIDS and acyclovir-resistant
varicella-zoster virus infection. Ann Intern Med 1991; 115: 19-21.
5. Whitley RJ, Weiss H, Gnann JW et al.: Acyclovir with and without prednisone for the treatment of herpes
zoster. A randomised, placebo-controlled trial. Ann Intern Med 1996; 125: 376-383.
6. Wood MJ, McKendrick MW, Care CD, McGill JI, Webb EM: Efficacy of oral acyclovir treatment of acute
herpes zoster. Am J Med 1988; 85 (Suppl 2A): 79-83.
7. Wutzler P, De Clercq E, Wutke K, Färber I: Oral brivudin vs. intravenous acyclovir in the treatment of herpes
zoster in immunocompromised patients: a randomized double-blind trial. J Med Virol 1995; 46: 252-257.
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Peter Wutzler
Direktor des Instituts für Antivirale Chemotherapie
Zentrum für klinisch-theoretische Medizin
Klinikum der Friedrich-SchillerUniversität Jena
Nordhäuser Straße 78
99089 Erfurt
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