MEDIZINREPORT: Studien im Fokus
Unerwünschte Effekte von Carbamazepin: HLA-Allel A*3101 disponiert für Hautreaktionen


Patienten mit bestimmten Genvarianten im HLA-System entwickeln unter Carbamazepin-Gabe gehäuft ein Stevens-Johnson-Syndrom (SJS) oder eine toxische epidermale Nekrose (TEN). Das Allel HLA-B*- 1502 ist kürzlich als Risikogen identifiziert worden. Seit bei Patienten ostasiatischer Herkunft (Taiwan) vor Therapiebeginn ein Gentest durchgeführt wird, ist in einem Kollektiv von 4 877 Patienten kein Fall von SJS-TEN mehr aufgetreten. Zuvor hatte die Inzidenz 0,23 % betragen. In Europa ist HLA-B*1502 sehr selten, ein Gentest wird nicht empfohlen.
Allerdings ist nun in einer genomweiten Assoziationsstudie unter Federführung des Pharmakologen Munir Pirmohamed (Liverpool) ein weiteres Allel gefunden worden, das für schwere Hautreaktionen bei Carbamazepin-Gabe prädisponiert (2). Dieses Gen ist laut Pirmohamed bei Mitteleuropäern mit 2 bis 5 % weit verbreitet. Die Forscher hatten eine genomweite Assoziationsstudie an 22 Patienten mit Hypersensitivitätsreaktionen und 43 Patienten mit makulopapulösen Exanthemen untersucht. Bei dem Vergleich mit 3 987 Kontrollen fand man eine Assoziation mit dem Allel HLA-A*3101. Allelträger hatten ein 12,4-fach erhöhtes Risiko für eine Hypersensitivitätsreaktion bei Einnahme von Carbamazepin (Odds Ratio 12,41; 95-%-Konfidenzintervall 1,27 bis 121,03) und ein um den Faktor 8 erhöhtes Risiko für ein makulopapulöses Exanthem (Odds Ratio 8,33; 95-%-KI 3,59 bis 19,36). Außerdem wurden 12 Patienten mit SJS-TEN untersucht, von denen 5 Allelträger waren. Daraus ergab sich eine Odds Ratio für SJS-TEN von 25,93 (95-%-KI 4,93 bis 116,18).
Fazit: Das HLA-Allel A*3101 ist mit einem erhöhten Risiko für ein Hypersensitivitätssyndrom bei Einnahme von Carbamazepin durch Patienten europäischer Herkunft assoziiert und könnte ein prognostischer Marker für die genannten unerwünschten Wirkungen sein. Die Frage, ob ein Gentest möglicherweise klinische Relevanz habe, müsse in weiteren Studien untersucht werden, erklärten die Autoren.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
- Chen P et al.: Carbamazepin-induced toxiceffects and HLA-B*1502 screening in Taiwan. NEJM 364; 2011: 1126-33
- McCormack MM et al.: HLA-A*3101 and Carbamazepine-induced hyperensitivity reactions in Europeans. NEJM 2011; 364: 1134–43.