THEMEN DER ZEIT: Aufsätze
Männergesundheit und Lebenserwartung: Der frühe Tod des starken Geschlechts
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Die Ursachen liegen jedoch viel weiter zurück. Unter anderem ist die Erfüllung der typisch männlichen Rolle
mit hohen gesundheitlichen Kosten verbunden.
ie Fortschritte in der Gesundheitsversorgung haben in den Industrienationen zu einer gestiegenen Lebenserwartung, aber auch zu einer Erhöhung der Altersmorbidität geführt. Der Erhalt einer möglichst hohen Lebensqualität und die Verzögerung des natürlichen Verfalls der biologischen Körperfunktionen stehen im Mittelpunkt aller Anstrengungen. Trotz allen Aufwands sind die Unterschiede im Gesundheitszustand zwischen Männern und Frauen erheblich, was auch an der drastischen Lebenserwartungsdifferenz von mehr als sechs Jahren abzulesen ist. In Deutschland betrug der Unterschied in der Lebenserwartung 1994 durchschnittlich 6,5 Jahre. Zugunsten der Männer sind bislang kaum Anstrengungen unternommen worden, diese Unterschiede zu thematisieren oder gar zu vermindern. Die Beschäftigung mit "dem Mann" und seinem gesundheitlichen Zustand beziehungsweise seinen Bedürfnissen stellt offenbar gesellschaftliches und wissenschaftliches Neuland dar.
Ähnliches gilt übrigens auch für die Erforschung der Bedürfnisse Hochbetagter. Selbst hier sind jedoch die Untersuchungen selten auf den Gesundheitszustand der Männer fokussiert. Meist werden die Probleme älterer vereinsamter Frauen bearbeitet, nachdem ihre Männer gestorben sind.
In den Industrienationen beträgt der Anteil der über 65jährigen schon heute mehr als 15 Prozent. Ohne Zweifel ist die Anpassung der Gesundheitsversorgung und der sozialen Verhältnisse an die Bedürfnisse älterer Menschen eine maßgebende Herausforderung für die Gesellschaft. Männer, vor allem ältere Männer könnten hiervon besonders profitieren. Sie stellen die "freiwilligen" Stiefkinder der Gesundheitsversorgung dar.
Männer sterben früher
als Frauen
In den Industrienationen hat sich der Unterschied in der Lebenserwartung in den letzten 100 Jahren eindeutig verstärkt (Tabelle 1). So wurden zur Jahrhundertwende Männer im Durchschnitt 45, Frauen 48 Jahre alt. Der Unterschied von drei Jahren hat sich bis heute somit verdoppelt (Hurrelmann, 1996). Wesentlich ist, daß die Sterblichkeitsunterschiede der Geschlechter in Europa wie in den USA mit dem Lebensalter variieren. Das gilt vor allem in den Altersklassen unter 50. Erst vom 75. Lebensjahr an nähern sich bei den meisten Erkrankungen geschlechtsspezifische Morbidität und Mortalität an. Das Verhältnis von hochbetagten Frauen zu Männern (älter als 75 Jahre) beträgt fast 2 : 1.1 Die Basis für diesen statistisch hohen Unterschied in der Lebenserwartung wird allerdings in der Altersgruppe bis 25 Jahre gelegt. Hier beträgt die Lebenserwartungsdifferenz mehr als sechs Jahre, während sie im 70. Lebensjahr auf knapp 2,5 Jahre schrumpft.
Die Unterschiede in der Lebenserwartung und Morbidität werden zwar im hohen Alter deutlich, haben ihre Wurzeln jedoch bereits früher. Die Analyse einer Gruppe von Erkrankungen kann diese Zusammenhänge noch besser veranschaulichen. Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems nehmen in den Industrienationen mit fast 50 Prozent mit weitem Abstand den ersten Platz in der Todesursachenstatistik ein. Typische Krankheitsbilder sind der Herzinfarkt, die Herzinsuffizienz und die zerebrale Arteriosklerose. Hier zeigt eine einfache Datenanalyse, daß Männer zwischen 25 und 74 Jahren erheblich häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben als Frauen. In der Altersgruppe der 45- bis 64jährigen liegt die Relation nahezu bei 3 : 1 (Grafik).
Der tödliche Herzinfarkt beispielsweise ist in Deutschland derart häufig, daß ihm im Jahre 1993 von 100 gestorbenen Männern 12 zum Opfer fielen. Bemerkenswert ist, daß tödlich endende Kreislauf-Erkrankungen bei Männern bevorzugt gegen Ende des Berufslebens auftreten. Im Vergleich mit betroffenen Frauen beträgt das Verhältnis 3 : 1. Offenbar leiden Männer um den Beginn des Ruhestandes herum unter Belastungen, die sie nur unzureichend kompensieren.
Ein "Sargnagel" ist die
falsche Ernährung
Bei der Ursachenforschung stößt man schnell darauf, daß die Ernährung eine entscheidende Rolle spielt. Nahrungszusammensetzung,
-menge und Regelmäßigkeit der Nahrungsaufnahme werden nämlich durch ein geschlechtsspezifisches Ernährungsverhalten bestimmt. Bisher ging man eher davon aus, daß Frauen Ernährungsprobleme haben. Ein falsches Ernährungsverhalten ist jedoch zweifellos einer der "Sargnägel" der Männer. Betont werden muß allerdings, daß die Frage, wie man mit einem Überangebot an Eßbarem umgeht, nur für die Industrienationen relevant ist. In den Entwicklungsländern beispielsweise gilt Übergewicht als Statussymbol der Privilegierten, während es in den Wohlstandsgesellschaften eher in den unteren Sozialschichten zu finden ist (Schwarzer, 1996).
So fällt für die Bundesrepublik Deutschland in der geschlechtsspezifischen Analyse der Adipositas auf, daß ein deutlich höherer Anteil von Männern jüngeren Alters adipös ist, während eine ausgeprägte Fettleibigkeit mit einem Body-mass-Index von mehr als 30 kg/m2 vor allem bei Frauen höheren Alters vorkommt (siehe Tabelle 2). Fast 70 Prozent aller 30- bis 50jährigen Männer weisen eine Adipositas auf, deren Spätfolgen sich dann im Alter manifestieren. Ähnlich verhält es sich mit der Hypertonie oder dem Blutcholesterinspiegel.
Dabei ist nicht nur die Menge und die Verwertung, sondern auch die Auswahl der Speisen geschlechtsspezifisch. So essen bereits Jungen mehr Salz, Fett und Zucker, während Mädchen mehr Obst und Gemüse verzehren. Im Erwachsenenalter konsumieren Männer im Vergleich mehr Fleisch, Brot, Alkohol und Süßwaren, während Frauen Obst, Joghurt und Kaffee bevorzugen (Block et al., 1988). Neuere Metaanalysen haben gezeigt, daß der Verzehr von rotem Fleisch (zum Beispiel Rind, Schwein) mit einer erhöhten Rate an Darmkrebs korreliert. Als risikoreich gilt zudem scharf angebratenes und gegrilltes Fleisch (Glomp, 1997).
Männer bevorzugen genau diese Zubereitungsarten. Insgesamt ist die Kost von Frauen abwechslungs- und vitaminreicher (Enstrom et al., 1992). Männern fehlt es zum Teil an der Umsetzung vorhandener ernährungsbezogener Kenntnisse. Es scheint aber in erster Linie ein immenser Aufklärungs- und Informationsbedarf zu bestehen.
Ein weiterer Aspekt bei der Analyse der geschlechtsspezifischen Morbidität und Mortalität ist, inwieweit die von den Krankenkassen angebotenen Früherkennungsuntersuchungen genutzt werden. So haben 1993 in Deutschland zirka 39 Prozent der anspruchsberechtigten Frauen, aber nur zirka 16 Prozent der anspruchsberechtigten Männer dieses Angebot wahrgenommen. Eine Trendwende ist hier nicht zu erkennen.
Die Effizienz von Früherkennungsuntersuchungen wird zuweilen angezweifelt. Frauen haben von diesen Programmen aber sehr wohl profitiert. So konnte die Mortalität für das Cervixkarzinom gesenkt werden, was unter anderem auf die Früherkennung zurückgeführt wird (Schulz et al., 1989).
Das Ziel, hier eine erhöhte Akzeptanz auch bei Männern zu erreichen, ist nicht zuletzt deshalb sinnvoll, da im Rahmen der Krebsvorsorgeuntersuchung auch andere Erkrankungen beziehungsweise Fehlverhaltensweisen erkannt werden können. Allerdings sehen Männer im allgemeinen keine Notwendigkeit, an ihrem Verhalten etwas zu ändern. Der Glaube an die eigene Unverwundbarkeit ist weit verbreitet. Gelingt es allerdings, Informationen und Aufklärung über Gesundheitsverhalten und -vorsorge in das Arbeitsumfeld von Männern zu integrieren, so wird diese Aufklärung angenommen, wie einige sporadische Berichte zeigen (Jackson, 1991; McMillan, 1995).
In diesem Zusammenhang ist schließlich interessant, für welche Karzinomarten in der onkologischen Forschung Geldmittel aufgewendet werden. Eine Analyse des amerikanischen National Cancer Institute zeigt, daß das Mammakarzinom mit weitem Abstand führt, obwohl Magen-Darm-Tumoren, Bronchialkarzinome und das Prostatakarzinom häufiger vorkommen. Das Prostatakarzinom hat mittlerweile das Bronchialkarzinom als den häufigsten männlichen bösartigen Tumor übertroffen.
Männliche Rollenerwartungen
Welche Erkenntnisse aus der soziologischen und psychologischen Forschung könnten dazu dienen, die Gesundheitsversorgung von Männern zu verbessern? Auch hier können nur einige exemplarische Ansätze herausgegriffen werden. Am großen Einfluß sozialer und kultureller Faktoren auf die Lebenserwartung und Morbidität besteht kein Zweifel. So konnte gezeigt werden, daß sich in "homogenen" Gesellschaften, die für Männer und Frauen weitgehend ähnliche Lebensbedingungen zur Verfügung stellen (zum Beispiel Kibbuz), die geschlechtsabhängigen Sterblichkeitsraten verringern (Baylis et al., 1987).
Einige Wissenschaftler verbinden mit der Eigenschaft "Männlichkeit"2 zwingend eine niedrigere Lebenserwartung (Harrison et al., 1992). Andererseits hat "Männlichkeit" einen positiven subjektivpsychologischen Effekt auf Männer und Frauen. So korreliert Männlichkeit mit vermindertem depressiven Verhalten, reduzierter Angst und höherem Selbstwertgefühl (Helgeson, 1995). Hierzu paßt, daß Frauen im Vergleich zu Männern ein höheres Risiko haben, an behandlungsbedürftigen psychiatrischen Erkrankungen aus dem depressiven und neurotischen Formenkreis zu erkranken (Busfield, 1996). Die Bewältigung der männlichen Rolle erzeugt Streß; das Bemühen, ihr gerecht zu werden, disponiert zu Risikofreudigkeit, die sich unter anderem im Jugendalter zeigt. Der Straßenverkehr ist hier ein gutes Beispiel. So wurden im Jahr 1994, statistisch betrachtet, 18,3 Männer in Deutschland gegenüber 6,3 Frauen pro 100 000 Einwohner im Straßenverkehr getötet, wobei Alkoholeinfluß bei Männern als Unfallursache elfmal häufiger als bei Frauen im Spiel war. Frauen sind zweifellos die umsichtigeren Autofahrer.
Ein rücksichtsloser Umgang mit dem eigenen Körper dagegen gehört gewissermaßen zur Männerrolle (Hurrelmann, 1996). Rücksichtslosigkeit und Durchsetzungskraft sind erwartete und geforderte männliche Eigenschaften. Männer betrachten ihren Körper häufig als Werkzeug oder Maschine und nehmen dementsprechend auf ihn wenig Rücksicht (Verbrugge, 1995).
Weiterhin muß die unterschiedliche Bedeutung von Rollen (zum Beispiel Vaterrolle, Berufsrolle) berücksichtigt werden. Männer definieren sich stark über ihren Beruf, Frauen weniger. So konnte gezeigt werden, daß bei Männern besonders die Berufsrolle mit Gesundheitsbeschwerden korreliert (Barnett und Marhall, 1993). Zwar lassen sich solche Korrelationen auch bei Frauen feststellen. Bei ihnen scheinen aber die Mutterrolle sowie andere Rollen zumindest als Puffer für arbeitsplatz- oder berufsbedingte Streßeinflüsse zu wirken (Barnett et al., 1991).
Netzwerke als
soziales Immunsystem
In neueren Untersuchungen wird denn auch der positive Effekt von mehreren Aufgaben auf den Gesundheitszustand von Frauen hervorgehoben. So konnte gezeigt werden, daß Frauen mit vielen sozialen Rollen gesünder sind als Frauen mit wenigen (Adelmann et al., 1990; Hibbard und Pope, 1991). Es gibt zudem Hinweise, daß eine gleichberechtigte Partnerschaft mit beiderseitiger Berufstätigkeit sich für Frauen bei einigen Erkrankungen gesundheitsprotektiv auswirkt. Das konnte zum Teil für bösartige Neubildungen und zerebralvaskuläre Insulte gezeigt werden. Solche protektiven Einflüsse waren für Männer nicht in gleichem Ausmaß nachweisbar.
Für ältere Menschen, insbesondere ältere Männer wären sicherlich soziale Netzwerke beziehungsweise mehr soziale Unterstützung der Gesundheit förderlich. In Analogie zum biologischen Schutz- und Immunsystem wird auch vom sozialen Netzwerk als "sozialem Immunsystem" gesprochen (Hurrelmann, 1994). Biologische und soziale Schutzfaktoren haben gemein, daß sie individuelle Belastungen der Umwelt abfedern. So ist eindeutig, daß eine fehlende adäquate soziale Unterstützung mit einer erhöhten Mortalität korreliert (Schwarzer, 1996).
Emotionale Qualität
ist entscheidend
Beispielsweise läßt sich der Genesungsprozeß nach einer Operation positiv mit dem Ausmaß und der Qualität an sozialer Unterstützung in Beziehung setzen (Kulik und Mahler, 1989). Männer blieben nach einer BypassOperation eine kürzere Zeit im Krankenhaus, wenn ihre soziale Unterstützung groß war. Allerdings ist nicht allein die Existenz, sondern die emotionale Qualität von sozialer Unterstützung entscheidend (Burleson, 1990; Hibbard und Pope, 1993).
In dauerhaft engen Beziehungen, wie sie zum Beispiel zwischen Ehepartnern bestehen, gelingt es Männern noch am ehesten, ihre Bedürfnisse zu vermitteln, obwohl mit der männlichen Rolle generell eine emotionale Ausdrucksschwäche verwoben ist. Eine aktuelle Untersuchung mit mehr als 1,5 Millionen verheirateten Männern und Frauen bestätigte, daß es nach dem Verlust der Ehefrau bei Männern zu einem doppelt so hohen relativen Anstieg der Mortalität kommt wie bei Frauen beim Verlust des Ehemannes (Martikainen und Valkonen, 1996). Männer scheinen also, was ihren Gesundheitszustand anbelangt, aus der Ehe mehr Nutzen zu ziehen als Frauen, weil das Eheleben das männliche Risikoverhalten (zum Beispiel Fehlernährung) reduziert und die Motivation, auf die Gesundheit zu achten, erhöht (Lang et al., 1994; Shye et al., 1995).
Eine Schwäche der obigen Betrachtungen liegt in der Betonung der Lebenserwartung beziehungsweise Mortalität. Diese Gewichtung ist kritisch zu hinterfragen. So muß eine höhere Lebenserwartung nicht mit einer höheren Lebensqualität einhergehen. Es ist zudem wahrscheinlich, daß das Verständnis von Lebensqualität ausgeprägten geschlechtsspezifischen Einflüssen unterworfen ist (Klotz et al., 1998). Einige Untersuchungen deuten darauf hin, daß aktivitätsorientierte männliche Rollenmuster zu einer höheren Zufriedenheit und zu einer subjektiv höheren Lebensqualität führen.
Ein weiteres Indiz für eine möglicherweise geschlechtsspezifisch unterschiedliche Lebensqualität ist der höhere Anteil von depressiven und neurotischen Erkrankungen bei Frauen (Sabo und Gordon, 1995). Der Preis für die höhere Lebensqualität der Männer wäre dann - salopp formuliert - eine geringere Lebenserwartung. Unterstützt wird diese These dadurch, daß bei Männern durchaus die bewußte Einstellung "Lieber kurz und gut als länger und schlechter" nachgewiesen werden konnte (Klein, 1995). So sind einige Risikoverhaltensweisen, die einen unmittelbar erlebten Lebensqualitätsgewinn durch Erfolg oder Ansehen (zum Beispiel "Risikosport", Anabolikaabusus et cetera) ermöglichen, teilweise erklärbar.
Zum Thema "geschlechtsspezifische Lebensqualitätsforschung" existieren allerdings bisher kaum Befunde. Bemerkenswert ist, daß in Sachen Qualitätsforschung im Gesundheitswesen erst in den letzten fünf Jahren begonnen wurde, die wesentlichen beeinflussenden Faktoren herauszufiltern und Meßinstrumente zu entwickeln. Dabei stehen jedoch meist Messungen der Ergebnisqualität nach großen medizinischen Prozeduren (zum Beispiel Tumoroperationen) im Vordergrund. Weiter dominieren ökonomisch motivierte Fragestellungen zur Effizienz von Behandlungsverfahren, so daß Grundlagenuntersuchungen, die die geschlechtsspezifische Lebensqualität in Abhängigkeit von verschiedenen Lebensphasen und unterschiedlichen Sozialisationen zum Thema haben, eine Ausnahme sind (Hurrelmann, 1994).
Folgen einer fehlenden
Männerbewegung
Die Frauenbewegung hat dafür gesorgt, daß der Gesundheitszustand von Frauen Gegenstand der Forschung und der öffentlichen Diskussion wurde (Farrel, 1995). Eine vergleichbare Männerbewegung gibt es nicht. Die Ursachen für die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Morbidität und Mortalität liegen in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter und wirken sich im Senium aus. Somit müssen sich langfristig angelegte gesundheitspolitische Programme an jugendliche und erwachsene Männer richten. Mittelfristig scheint die Netzwerkförderung (Unterstützung und Aufbau von Selbsthilfe- und Interessengruppen) für die ältere Generation am notwendigsten. Hiervon könnten Männer besonders profitieren, da traditionelle männliche soziale Beziehungen beziehungsweise Netzwerke meist aktivitätsorientiert (zum Beispiel Sport) oder berufsorientiert sind. Diese sozialen Netzwerke sind relativ anfällig gegenüber äußeren Einflüssen. Emotional geprägte langjährige soziale Beziehungen über den Ehepartner hinaus sind bei Männern selten anzutreffen.
Eine weitere Überlegung betrifft die Frage, welche oberen Grenzen für die Lebenserwartung in Industrienationen eigentlich bestehen. Olshansky und Mitarbeiter (1990) haben anhand theoretischer Überlegungen für die USA berechnet, daß eine weitere Erhöhung der durchschnittlichen Lebenserwartung bei Geburt auf mehr als 85 Jahre sehr unwahrscheinlich ist. Um dieses Ziel zu erreichen, müßten die Mortalitätsraten für alle Altersstufen um 55 Prozent, vom 50. Lebensjahr an um 60 Prozent reduziert werden (Olshansky et al., 1990). Modellrechnungen ergeben, daß die Elimination aller ischämischen Herzkrankheiten die mittlere Lebenserwartung von Frauen nur um drei Jahre und die der Männer um 3,55 Jahre ansteigen lassen würde. Die Elimination aller Krebserkrankungen würde die Lebenserwartung um 3,17 Jahre für Frauen und 3,2 Jahre für Männer erhöhen.
Daß die Gesellschaft die notwendigen Ressourcen dafür aufbringt, erscheint weder wahrscheinlich, noch würden sie effizient eingesetzt. Als weniger utopisch erscheint es allerdings, die Lebenserwartung von Männern denen von Frauen anzugleichen. Die Beschäftigung mit dem Thema "Männergesundheit" wäre zudem nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Gleichberechtigung. Sie würde, neben einer gesundheitspolitisch effizienten Verteilung der Ressourcen, mit Sicherheit Erkenntnisse in der Grundlagenforschung hervorbringen, die beiden Geschlechtern dienen.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1998; 95: A-460-464 [Heft 9]
Die Literaturhinweise beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und
über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser
Dr. med. Theo Klotz, MPH
Klinik für Urologie
der Universität zu Köln
Joseph-Stelzmann-Straße 9
50924 Köln
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