MEDIZIN: Zur Fortbildung
Ausgewogene Substratversorgung durch Fleischverzehr
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Der Verzehr von Fleisch hat aufgrund wachsender Besorgnis über mögliche Gesundheitsrisiken stark abgenommen. Fleisch ist ein Lebensmittel von hoher ernährungsphysiologischer Qualität, das hohe Gehalte an biologisch hochwertigem Eiweiß, gut resorbierbarem Eisen, Zink und den Vitaminen A und B enthält. Gesunde Erwachsene können eine bedarfsdeckende Nährstoffversorgung auch mit einer gemischt-vegetarischen Ernährung (Ovo-Lakto-Vegetarismus) erreichen, wenngleich die durchschnittliche Versorgung mit Nährstoffen wie Eisen und Vitamin B12 ungünstiger ist und bei Kindern auch Längenwachstum und Gewichtszunahme reduziert sind. Für Schwangere, stark menstruierende Frauen, Kinder, Leistungssportler und Senioren jedoch ist Fleischverzehr für eine adäquate Substratversorgung kaum verzichtbar, wenn nicht kritische Nährstoffe wie Eisen, Zink und Vitamin B12 supplementiert werden sollen. Bei langfristiger rein pflanzlicher Ernährungsweise (veganische Ernährung) wird der Vitamin B12-Bedarf nicht gedeckt, bei Kindern kann sich schon innerhalb des ersten Lebensjahres ein klinisch manifester Vitamin B12-Mangel mit schwerer neurologischer Schädigung manifestieren.
Key words: Meat consumption, ovo-lacto-vegetarians,
vegan diet, iron deficiency, colon cancer risk Although meat contains large amounts of protein with a high
nutritional value, as well as highly bioavailable iron, zinc and vitamins A and B, the consumption of meat has
markedly decreased due to growing concerns about potential health risks. Healthy adult ovo-lacto-vegetarians
can reach a physiologically adequate nutrient supply provided they select their food intake wisely. However, the
average supply of some nutrients such as iron and vitamin B12 is usually low, and children on vegetarian diets
show a reduced average longitudinal growth and weight gain. Meat consumption is indispensable for an
adequate nutrient supply in individuals with high requirements of critical substrates, including pregnant women,
women with strong menstrual blood losses, children, professional athletes and seniors with a low food
consumption, unless nutrients such as iron, zinc and vitamin B12 are supplemented. A long term vegan diet
(strict avoidance of all animal foods) cannot meet human vitamin B12 requirements over a prolonged time
period. Infants that are breastfed by their vegan mothers and weaned on a vegan diet develop clinical signs of
vitamin B12 deficiency with severe neurological damage usually within the first year of life.
Der Verzehr von Fleisch und Fleischwaren ist in Deutschland seit Ende der achtziger Jahre stark
zurückgegangen. Als Gründe werden tierschützerische, ökologische, soziale und weltanschauliche
Gesichtspunkte angegeben (19), die Sorge vor einer möglichen Übertragung der bovinen spongiformen
Enzephalopathie (BSE) und vor Verunreinigungen mit Arzneimitteln und Hormonen. Pressemeldungen über ein
angeblich erhöhtes Risiko kardiovaskulärer und Krebserkrankungen durch Fleischkonsum bei gleichzeitig
angenommenem Fehlen eines gesundheitlichen Nutzens führten ebenfalls zur Verunsicherung der Verbraucher.
Daher werden gerade auch Ärzte häufig mit Fragen zur Nutzen-Risiko-Abwägung des Fleischverzehrs
konfrontiert.
Fleisch enthält hohe Gehalte an biologisch hochwertigem Eiweiß, gut resorbierbarem Eisen und Zink sowie
Vitamin A, B1, B6 und B12; resorptionshemmende Faktoren sind kaum enthalten (12). Hier sollen die Fragen
diskutiert werden, welche Vorteile die hohe ernährungsphysiologische Qualität von Fleisch für eine
bedarfsdeckende Nährstoffversorgung hat und ob Nachteile hinsichtlich des Risikos für Kolonkarzinome und
kardiovaskuläre Erkrankungen zu befürchten sind.
Prävention des Eisenmangels
Eisenmangel ist der weltweit am häufigsten auftretende Nährstoffmangel, von dem mindestens eine Milliarde
Menschen betroffen sind (31). Eisenmangel führt zu hypochromer Anämie, reduzierter körperlicher
Leistungsfähigkeit, Verhaltensstörungen, gestörter Thermoregulation und erhöhter Infektionsanfälligkeit. Auch
in Deutschland ist ein Eisenmangel außerordentlich häufig. Die VERA-Studie fand bei 3,5 bis 4,5 Prozent der
Männer zwischen 18 und 54 Jahren verminderte Ferritinwerte (< 20 µg/l), bei Frauen im menstruierenden Alter
bei bis zu 17,7 Prozent (Ferritin < 12 µg/l) (Grafik 1) (9). Zu den Risikogruppen für einen Eisenmangel gehören
neben menstruierenden und schwangeren Frauen auch Säuglinge und Kinder, die aufgrund ihres Wachstums
einen hohen Eisenbedarf haben, sowie Senioren mit vergleichsweise niedrigem Nahrungsverzehr und Vegetarier
(28). Auch Ausdauersportler, bei denen die gastrointestinale Durchblutung vermindert und dadurch die
Spurenelementresorption reduziert sein kann, sind gefährdet (3).
Die zur Prävention eines Eisenmangels notwendige Aufnahmemenge hängt nicht allein vom individuellen
Bedarf, sondern wesentlich auch von der Bioverfügbarkeit des aufgenommenen Eisens (Häm- oder NichthämEisen) sowie anderen die Eisenresorption beeinflussenden Faktoren ab (23). Das mit der Nahrung überwiegend
aufgenommene Nichthäm-Eisen (aus Obst, Gemüse, Getreide, Eiern, Milchprodukten und auch aus Fleisch)
weist eine niedrige Resorption auf, die abhängig von den individuellen Eisenreserven im Bereich zwischen 2 und
20 Prozent, meist jedoch nur bei 5 bis 10 Prozent liegt (23). Resorptionsfördernd wirken Ascorbinsäure,
fermentierte Lebensmittel und Fleisch, stark hemmend dagegen Phytate (zum Beispiel in Vollkorn- und
Sojaprodukten), Polyphenole (zum Beispiel in schwarzem Tee) und Kalzium (zum Beispiel in Kuhmilch). Die
Bioverfügbarkeit von Häm- Eisen, das in Fleischwaren (mit besonders hohem Häm-Eisengehalt in Rindfleisch
[Tabelle 1]) und Fisch enthalten ist, beträgt etwa 15 bis 35 Prozent und ist damit weitaus höher als bei NichthämEisen (13, 15). Praktisch bedeutet dies, daß bei geringem Fleischverzehr deutlich mehr Eisen mit der Nahrung
aufgenommen werden muß, um den Bedarf zu decken (Tabelle 2). Besonders bei den 15 Prozent der Frauen, die
nach Bothwell und Carlton (1981) täglich im Mittel > 2,8 mg Eisen verlieren, ist der Bedarf bei einem
Fleischverzehr unter 30 g/Tag praktisch kaum zu decken; die geschätzte, unter diesen Bedingungen notwendige
tägliche Aufnahmemenge (56 mg Eisen) (Tabelle 2) ist beispielsweise in 3,6 kg Weizenmehl (Typ 405), 1,9 kg
gekochtem Spinat oder 6,2 kg gekochtem Broccoli enthalten (11). Entsprechend erreichen Frauen im
reproduktiven Alter eine ausgeglichene Eisenbilanz oftmals nur durch den Verzehr von Fleisch mit hoher
Eisenverfügbarkeit (3). So zeigte die Berliner Vegetarierstudie deutlich niedrigere Serumeisenwerte bei dem
vegetarisch ernährten Kollektiv (Männer: 104 versus 111 µg/dl; Frauen; 93 versus 104 µg/dl), trotz einer um
etwa 1 mg/Tag höheren mittleren
Eisenzufuhr bei der vegetarischen Gruppe. Eine Eisenunterversorgung war bei den Vegetariern wesentlich
häufiger (7 bis 12 Prozent versus
3 Prozent) (8). Bei einer rein pflanzlichen Ernährung kann jedoch eine verbesserte Eisenresorption durch den
Verzehr von ascorbinsäurereichem Gemüse, Obst und Säften zusammen mit eisenreichen pflanzlichen
Lebensmitteln (Vollkorngetreide, dunkle Gemüsesorten) erzielt werden. Aber auch dann erscheint eine
langfristig konsequent vegetarische Ernährung hinsichtlich der Eisenversorgung nur für gesunde erwachsene
Männer und für Frauen jenseits der Menopause weitgehend unbedenklich. Andere Personen bedürfen einer
Überwachung.
Eisenzufuhr im Kindesalter
Säuglinge und Kinder im Wachstumsalter gehören zu den besonders gefährdeten Gruppen, denn der Eisenbedarf
ist in den ersten beiden Lebensjahren und in der Pubertät aufgrund der schnellen Vermehrung der Körpermasse
groß. In diesen Altersgruppen treten häufig ein latenter Eisenmangel und eine Eisenmangelanämie auf (3, 10).
Für die neurologische Entwicklung im frühen Kindesalter ist Eisen von Bedeutung, da es unverzichtbarer
Kofaktor wichtiger Schlüsselenzyme für die Synthese der Neurotransmitter Dopamin und Serotonin ist. Bereits
bei mildem Eisenmangel kann auch der ZNS-Stoffwechsel gestört werden. Klinische Untersuchungen zeigten
bei Säuglingen mit Eisenmangel eine signifikant schlechtere psychomotorische Entwicklung (Grafik 2) mit
Beeinträchtigung der Sprachentwicklung und des Gleichgewichtssinnes im Alter von einem Jahr (32). Noch im
Alter von fünf bis sechs Jahren fanden sich kognitive Störungen (33). Um einer Eisenmangelanämie und
längerfristigen Entwicklungsnachteilen vorzubeugen, ist nach der Erschöpfung der endogenen Eisenreserven ab
dem 4. bis 6. Lebensmonat eine adäquate Eisenzufuhr besonders wichtig. Mindestens zwei bis dreimal pro
Woche sollte in der Beikost des Säuglings mageres Fleisch enthalten sein. Bei Getreidebreien sind mit Eisen
angereicherte Produkte zu empfehlen, die besonders bei einer vegetarischen Säuglingsernährung wichtig werden.
Kuhmilch ist eisenarm und wirkt überdies hemmend auf die Eisenresorption (hoher Kalziumgehalt), so daß für
die Dauer des ganzen ersten Lebensjahres Muttermilch oder handelsübliche eisenangereicherte
Säuglingsmilchnahrungen bevorzugt werden sollten.
Zink
Zink hat essentielle Bedeutung für strukturelle, regulatorische und katalytische Funktionen in zahlreichen
Enzymen sowie für die Insulinspeicherung, die Gentranskription und die Rezeptorbindung von Hormonen (10,
16, 22). Eine Zinkunterversorgung führt zu Hypo- und Dysgeusie, Appetitlosigkeit, gestörter
Infektionsanfälligkeit und Wundheilungsstörungen, bei schwerem Ausmaß auch zur Acrodermatitis
enteropathica (2, 18). Bei Kindern ist eine hohe Zinkaufnahme mit besserem Längenwachstum (5, 6, 25) und mit
höherer Vigilanz und Spontanaktivität (Grafik 3) (27) assoziiert.
Für den Menschen sind die wesentlichen Zinkquellen Fleischwaren, Milchprodukte, Fisch und Schalentiere,
wobei analog zum Eisen für die Bedarfsdeckung neben der Höhe der Gesamtzufuhr vor allem die
Bioverfügbarkeit des Zinks von entscheidender Bedeutung ist. Bei gesunden Erwachsenen ist die Zinkresorption
aus Rindfleisch drei- bis vierfach höher als aus Getreide (Grafik 4) (36). Tierisches Eiweiß erhöht die
Bioverfügbarkeit, während eine hohe Kalzium- und Phytatzufuhr durch Komplexbildung die Resorption
verringern (10, 22). Entsprechend wird aus einer Mischkost mit tierischen Lebensmitteln Zink im Mittel zu zirka
40 Prozent, bei rein vegetarischer Ernährung jedoch nur zu zirka 10 Prozent aufgenommen (10, 34).
Vitamin B12 (Cobalamin)
Mit den schwerwiegenden hämatologischen und neurologischen Schädigungen bei perniziöser Anämie in Folge
einer gestörten Vitamin B12-Resorption sind Ärzte gut vertraut. Weniger bekannt ist, daß auch der Ausschluß
tierischer Lebensmittel aus der Ernährung die Vitamin B12-Versorgung stark verschlechtert. Vitamin B12, das
nur von Mikroorganismen synthetisiert wird, nimmt der Mensch nur mit tierischen Lebensmitteln (Fleisch,
Fisch, Milch, Eier) und in sehr geringem Umfang auch mit fermentierten Produkten (Sauerkraut, Bier) zu sich
(2, 21).
Die Berliner Vegetarier-Studie zeigte entsprechend bei einem hohen Anteil von 11 Prozent der weiblichen und
16 Prozent der männlichen Vegetarier erniedrigte Vitamin-B12-Serumspiegel (< 150 pg/dl), dagegen nur bei
zwei Prozent der Nichtvegetarier (8). Bei rein veganischer Ernährung entwickelt sich ein Vitamin-B12-Mangel,
der jedoch bei gesunden Erwachsenen aufgrund der vergleichsweise großen hepatischen Speicher (etwa 2 bis 5
mg) erst nach vielen Jahren klinisch, zum Beispiel durch eine perniziöse Anämie manifest wird (12). Anders ist
die Situation bei Säuglingen mit ihren nur geringen Vitamin-B12-Reserven.
Gestillte Kinder von Frauen, die sich veganisch ernähren und deren Muttermilch arm an Vitamin B12 ist,
entwickeln ohne Zufütterung tierischer Lebensmittel meist im zweiten Lebenshalbjahr Vitamin B12Mangelsymptome: vor allem eine verlangsamte oder rückläufige neurologische Entwicklung bis hin zur Apathie
und zum Koma, hochgradige Hirnatrophie (Abbildung 1) und bleibende neurologische Schäden (29). Ein
empfindlicher Indikator des Mangels ist eine vermehrte renale Ausscheidung von Methylmalonsäure, so daß bei
Verdacht auf eine Fehlernährung die Bestimmung dieser organischen Säure im Urin angezeigt ist. Vorbeugend
sollten schwangere und stillende Frauen mit rein veganischer Ernährung sowie deren Kinder unbedingt mit
Vitamin B12 supplementiert werden.
Weitere Aspekte einer vegetarischen Ernährung
Eine vegetarische Ernährungsweise hat für gesunde Erwachsene durchaus positive Aspekte. So vermindert
beispielsweise die meist niedrige Energiedichte der Nahrung das Adipositasrisiko, und für verschiedene
erwünschte Nährstoffe, wie zum Beispiel Vitamin C, Kalium, komplexe Kohlenhydrate und sekundäre
Pflanzenstoffe, wird meist eine erfreulich günstige Zufuhr erreicht. Auch eine geringe Zufuhr an gesättigten
Fetten, Cholesterin und Purinen ist mit dieser Ernährung möglich.
Die bei vegetarischer Ernährung in der Regel niedrige Dichte an Energie und einigen anderen physiologisch
wichtigen Nährstoffen (unter anderem Eisen, Zink, Jod, Kalzium, Vitamine B12 und D) birgt, vor allem bei
Personen mit hohem Bedarf, wie Schwangere und Kinder, das Risiko einer Unterversorgung.
Hier kann auch die Proteinzufuhr ungenügend sein, da Eiweiß pflanzlicher Herkunft eine deutlich geringere
biologische Wertigkeit hat als tierisches Protein. Die biologische Wertigkeit kann durch Kombination
verschiedener Eiweißquellen erhöht werden (beispielsweise durch gemeinsamen Verzehr von Getreide und
Hülsenfrüchten). Manche modernen "alternativen" Ernährungsformen sind sehr einseitig (zum Beispiel
vorwiegend auf Getreidebasis), was ein erhöhtes Risiko der Unterversorgung mit sich bringt und bei Kindern
eine schwere Mangelernährung hervorrufen kann (Grafik 5).
Systematische Untersuchungen bei vegetarisch ernährten Kindern zeigten gegenüber gemischt ernährten Kindern
eine deutlich zurückgebliebene mittlere Gewichts- und Längenentwicklung und eine schlechte Vitamin D- und
Eisenversorgung (30). Eine besonders schwer ausgeprägte Wachstumsstörung zeigte sich bei Kindern aus
makrobiotischen Lebensgemeinschaften mit fast ausschließlich pflanzlicher Ernährung; ein erschreckend hoher
Anteil (zwischen 28 und 55 Prozent) hatte im ersten bis zweiten Lebensjahr auch klinische Rachitiszeichen (7).
Fördert Fleischverzehr das Kolonkarzinomrisiko?
Das in den westlichen Ländern zu den häufigsten bösartigen Erkrankungen zählende Kolonkarzinom (24) wird
von der Ernährungsweise beeinflußt. Zahlreiche Studien zeigen eine protektive Wirkung einer hohen
Ballaststoffzufuhr sowie eines regelmäßigen Verzehrs von frischem Obst und Gemüse. Ein hoher Fettverzehr
wird dagegen mit einer erhöhten Inzidenz assoziiert (1). Epidemiologische Untersuchungen bei Frauen in den
USA fanden bei täglichem Verzehr von Rind-, Schweine- oder Lammfleisch ein 2,5fach höheres
Kolonkarzinomrisiko als bei Frauen, die diese Fleischsorten weniger als einmal monatlich verzehrten (35). Aus
dieser Assoziation kann jedoch keine Kausalität im Sinne einer karzinogenen Wirkung des Fleischkonsums
gefolgert werden, da bei seltenem Fleischverzehr die Zufuhr von protektiv wirkendem Gemüse und
Ballaststoffen deutlich höher ist. Gegen eine monokausale Rolle des Fleischkonsums spricht auch, daß das
Kolonkarzinomrisiko bei Frauen mit häufigem Verzehr von magerem Geflügel (fünf- bis sechsmal/Woche) nur
halb so groß war als bei seltenem Geflügelkonsum (weniger als einmal/Monat) (35). Auch eine niederländische
Fall-Kontroll-Studie zeigte bei Männern keine Assoziation zwischen dem Frischfleischverzehr und dem
Auftreten eines Kolonkarzinoms (17). Eine australische Fall-Kontroll-Studie fand bei Frauen keinen
Zusammenhang zwischen Rindfleischverzehr und kolorektalem Karzinom, während bei Männern das relative
Risiko einer Kolonkarzinomerkrankung in der Quintile mit dem höchsten Rindfleischverzehr 2,1mal höher lag
als in der ersten Quintile. Ein hoher Verzehr an Schweinefleisch und an Fisch war dagegen mit einem
erniedrigtem Risiko assoziiert (20).
Eine prospektive Kohortenstudie bei 120 852 amerikanischen Männern und Frauen im Alter zwischen 55 und 69
Jahren zeigte keine Assoziation zwischen Frischfleischverzehr und Kolonkrebs. Ein erhöhtes Risiko ergab sich
jedoch bei gehäuftem Verzehr von Fleischfertigprodukten, die mit Rauch, Nitritpökelsalz und anderen
Zusatzstoffen haltbar gemacht wurden. Als Ursache für diese Assoziation diskutieren die Autoren den
geringeren Verzehr von Gemüsen bei Personen mit hohem Verbrauch an Fertigprodukten (14). Die vorliegenden
Ergebnisse sprechen insgesamt für eine deutliche Minderung des Kolonkarzinomrisikos durch eine ballaststoff-
und gemüsereiche Kost, während der maßvolle Verzehr von Fleisch nicht als eigenständiger Risikofaktor
angesehen werden kann. Allerdings erscheint es sinnvoll, gepökelte und geräucherte sowie sehr fette
Fleischwaren nur in begrenztem Maße zu konsumieren, da hier eine Risikoerhöhung nicht ausgeschlossen
werden kann.
Problem Fettverzehr
Eine zu kalorien- und fettreiche Ernährung, mit hoher Zufuhr insbesondere an gesättigten Fetten, ist in den
Industrieländern einer der wesentlichen Kausalfaktoren für Übergewicht und Hyperlipoproteinämien und fördert
die frühzeitige Entwicklung koronarer Herzerkrankungen. Eine an Kalorien und gesättigten Fetten ärmere
Ernährungsweise erfordert jedoch nicht den völligen Verzicht auf Fleisch. Vielmehr sollten fette Fleischwaren
gegen magere ausgetauscht werden, zumal letztere einen weitaus höheren Gehalt ernährungsphysiologisch
wichtiger Nährstoffe aufweisen (13). Außerdem ist eine hohe Fettzufuhr mit Fleischmahlzeiten meist weniger
durch das Fleisch als durch fette Soßen, Beilagen und Zubereitungsarten bedingt. Tatsächlich zeigten
Auswertungen von Ernährungserhebungen bei 504 Teilnehmern an der Bogalusa-Herz-Studie im Alter zwischen
19 und 28 Jahren keinerlei Zusammenhang zwischen Art und Menge des Fleischverzehrs und Indikatoren des
Atheroskleroserisikos (26). Deshalb ist nicht ein Verzicht auf Fleisch anzuraten, sondern eine bevorzugte
Auswahl magerer Fleischwaren und Zubereitungsformen, bei denen Fette sparsam und bevorzugt aus
pflanzlicher Herkunft (zum Beispiel Oliven- und Rapsöle) eingesetzt werden sollten.
Schlußfolgerungen
Eine physiologisch hochwertige Ernährung ist auch ohne Fleisch möglich, wenn Milch, Milchprodukte und Eier
verzehrt werden. Für eine ausgewogene fleischlose Ernährung sind jedoch ein hoher Kenntnisstand und eine sehr
bewußte Lebensmittelauswahl erforderlich, so daß sie für die gesamte Bevölkerung nicht empfohlen werden
kann. Für einige Bevölkerungsgruppen, insbesondere menstruierende Frauen, Säuglinge und Kinder,
Leistungssportler und Senioren ist Fleischverzehr für eine adäquate Substratversorgung sehr wertvoll und kaum
verzichtbar, wenn nicht mit Eisen-, Zink- und längerfristig mit Vitamin-B12-Präparaten supplementiert werden
soll. Aufgrund der hohen Gehalte an biologisch hochwertigem Eiweiß, gut resorbierbarem Eisen und Zink,
Vitamin B6, B12 und bei Schweinefleisch auch B1 wird ein mäßiger Fleischverzehr (zwei bis dreimal
wöchentlich etwa 120 bis 150 g Fleisch) als Teil einer gemischten, an Gemüse, Frischobst, Vollkornprodukten
und Ballaststoffen reichen Ernährung empfohlen. Da Schweinefleisch besonders reich an Vitamin B1 ist und
Rindfleisch höhere Gehalte an gut resorbierbarem Eisen und Zink aufweist, erscheint ein wechselnder Verzehr
von Rind- und Schweinefleisch, aber auch Geflügel- und Lammfleisch empfehlenswert. Ein zu hoher
Fleischkonsum ist nicht von Vorteil, es besteht, abhängig von der Art der verzehrten Fleischwaren, vielmehr das
Risiko einer hohen Cholesterin-, Purin- und Fettzufuhr. Für die Zubereitung von Fleisch, Soßen und Beilagen
sollten fettarme Rezepturen und die Verwendung ungesättigter pflanzlicher Fette bevorzugt werden.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1998; 95: A-606-611
[Heft 11]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser
und über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser
Prof. Dr. med. Berthold Koletzko
Kinderpoliklinik
Klinikum Innenstadt der
Ludwig-Maximilians-Universität
Pettenkofer-Straße 8a
80336 München
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