POLITIK: Leitartikel
Strukturreform: Hausärzte wollen künftig Case Manager sein


Wenn es in der Gesundheitspolitik ein parteienübergreifendes, gemeinsames Ziel gibt, dann ist dies die
Ausgabenbegrenzung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Für Dr. Klaus-Dieter Kossow folgt daraus die
Gewißheit, "daß wir auf Dauer mit begrenzten Mitteln haushalten müssen. Wir sind gezwungen, medizinische
Problemlösungen und ökonomische Zwänge zu vereinbaren."
Jahrelang, so der Vorsitzende des rund 45 000 Mitglieder zählenden Hausärzteverbandes, hätten sich die Ärzte
gegen diese Konsequenz gewehrt. "Jetzt geht das nicht mehr", sagt Kossow und folgert daraus: "Wenn also die
ökonomische Verantwortung stärker als zuvor auf die Ärzte übergehen muß, ist der Hausarzt für diese Aufgabe
geradezu prädestiniert." Der BDA-Vorsitzende verweist dabei auf den Paragraphen 73 des Sozialgesetzbuches
V, der den Hausarzt als Koordinator und "Lotsen durch das Gesundheitswesen" einsetze. Gerade diese
besondere Betonung der Verantwortung des Hausarztes für die Abstimmung der Behandlung auch der anderen
Leistungserbringer münde schließlich in das Case Management.
Ein Zuwachs an (durchsetzbaren) Kompetenzen ist mit der neuen Bezeichnung allein freilich nicht gewonnen.
Das ist auch dem BDA klar. Der Verband geht deshalb andere Wege – beispielsweise in der Zusammenarbeit
mit den Apothekern. Kossow: "Das Ziel dieser Kooperation ist eine zwischen Hausärzten und Apothekern
abgestimmte fallbezogene Betreuung der Patienten, um eine kompetente Beratung auch im Bereich der
Selbstmedikation sicherzustellen." Mit den Verbänden der ambulanten Pflegedienste seien gleichfalls
Gespräche aufgenommen worden. Auch hier sieht der BDA Ansätze für die Entwicklung des Case
Managements im Sinne des Hausärzteverbandes.
Schließlich setzt der Berufsverband einige Hoffnungen in die verschiedenen Modellprojekte der
Krankenkassen, die den Hausarzt in den Mittelpunkt der gesundheitlichen Versorgung rücken wollen. Das
sogenannte "Hausarzt-Abo" der AOK ist ein solches Modell, von dem sich der BDA Schrittmacherfunktionen
verspricht.
Wettbewerb mit Hausarzttarifen
Ohne dies direkt zu fordern, könnte sich der Hausärzteverband durchaus die Einführung von Wahltarifen etwa
nach dem dänischen Beispiel vorstellen. Dort gibt es einen sogenannten Hausarzttarif, der für die Versicherten
preiswerter ist als der Facharzttarif. Hierzulande seien ähnliche Tarife bei der privaten Krankenversicherung
zur Zeit "der Verkaufsrenner".
Das Recht auf freie Arztwahl sieht Kossow durch derartige Tarife nicht gefährdet. Der Versicherte könne sich
dafür entscheiden, seinem Hausarzt die Lotsenfunktion zu überantworten, im Gegensatz zu einem
Primärarztmodell müsse er es aber nicht. Und wenn es ums Wahlrecht geht, zeigt sich der BDA-Vorsitzende
zuversichtlich: "Wir stellen uns gerne dem Wettbewerb."
Als entscheidend für ein funktionierendes Case Management bewertet Kossow jedoch die Kommunikation
zwischen Hausärzten und Fachärzten. Würde sich der Hausarzt im umfassenden Sinne um den jeweiligen
Versorgungsfall kümmern, hieße das bezogen auf Hausärzte und Fachärzte nicht zwangsläufig gegeneinander,
sondern durchaus miteinander. Eine reibungslose Kommunikation ist nach Auffassung des BDA ebenso für die
Zusammenarbeit mit Krankenhausärzten die wesentliche Voraussetzung.
Der Hausarzt, der den gesamten Versorgungsfall umfassend betreuen und verantworten soll, müsse darüber
hinaus "freie Hand bei den veranlaßten Leistungen" haben, meint Kossow. Dies sei wichtig, um der
wachsenden ökonomischen Verantwortung im Rahmen eines Case Managements auch tatsächlich gerecht
werden zu können.
Daß dies zugleich eine stärkere Konzentration der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Hausärzte nach sich
ziehen würde, ist dem BDA bewußt. Die Hausärzte, so Dr. Klaus-Dieter Kossow, seien durchaus bereit, auch
diese Verantwortung künftig anzunehmen. Josef Maus
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