VARIA: Feuilleton
Stadtbibliothek Mainz: Bibliophile Kostbarkeiten


Martyrologium aus dem St.-Agnes-Kloster Mainz. Die in gepflegter Textura geschriebene Handschrift lässt auf ein qualitativ hoch stehendes Skriptorium schließen und entstand in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts.
Die Exponate ermöglichen faszinierende Blicke auf die Arbeiten der Mönche und Laien: auf Lebenswerke, die unersetzlich sind. Sie reichen vom kleinformatigen Gebets-und Liederbuch über die französischen „Perlbibeln“ mit ihrem reichen Blatt- und Rankenwerk auf rosafarbigem Grund bis zu den großformatigen, schweren Bibeln in prachtvollen Einbänden.
Glanzstück dieser von Annelen Ottermann, der Leiterin der Mainzer Handschriftenabteilung, vorgestellten elitären Bücher-Schau ist das Hamburger Fragment eines um 1250 entstandenen Zisterzienser-Lektionars, von dem bedauerlicherweise nur vier Bildseiten, aber immerhin 21 Textseiten mit Lesungen zum Stundengebet erhalten sind. Das Hamburger Fragment und die berühmte (vollständig erhaltene) Aschaffenburger Evangelienhandschrift, das „Goldene Evangeliar“, entstammen mit Sicherheit demselben Buchmalerei-Atelier, das vermutlich in Mainz zu lokalisieren ist. Einiges deutet darauf hin, dass sie sogar vom selben Maler geschaffen wurden und – möglicherweise – nicht in einem klösterlichen Scriptorium, sondern in einem Laienatelier entstanden sind. Ebenso ausdrucksstark wie ausgewogen in Bildinhalt, -aufbau und Farbe, dokumentieren diese vier kostbaren Buchseiten künstlerischen Gestaltungswillen vom Allerfeinsten.
Lectionarium officii, mittelrheinisch, um 1250–1260 entstanden. Eine der vier erhaltenen Bildsciten der Hamburger Handschrift: Im oberen Teil eine vor Papst Leo kniende Zisterzienserin, im unteren Teil des zweigeteilten Buchstabens ein betender Mönch, in dem man den Beichtvater der Nonnen vermutet.
Zu bewundern sind unter anderem auch die mit großen Ornamentinitialen geschmückten lateinischen Bibeln aus Nordfrankreich und dem Rheinland. Sie stammen aus dem Mainzer Jesuitenkolleg, aus Kloster Haina und aus der Zisterzienserabtei Arnsburg, dem reichsten und in künstlerischer Hinsicht bedeutendsten Kloster der Wetterau.
Britta Steiner-Rinneberg
Die Ausstellung „Illuminierte Handschriften des 11. bis 15. Jahrhunderts“ war bis zum 1. November im Kloster Eberbach zu sehen. Ab 4. November können die Handschriften im Lesesaal der Stadtbibliothek Mainz eingesehen werden. Weitere Informationen unter www.bibliothek.mainz.de.
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