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Vom Arztdasein in Amerika

Vom Arztdasein in Amerika

Das Staatsexamen wurde 2007 abgelegt, und nicht nur die Frage der Fachrichtung, sondern auch die des Arbeitsortes musste beantwortet werden. Nachdem das Assistenzarztdasein in Frankreich und Deutschland ausprobiert wurde, ging es nach Minneapolis im Jahr 2009. Es schreibt Dr. Peter Niemann über seine Ausbildung zum Internisten (sowie der Zeit danach) und über die Alltäglichkeiten, aber auch Skurrilität eines Arztlebens in USA.

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Vom Arztdasein in Amerika

Lieber ärztlicher Hochleistungs­spezialist oder breitgebildeter Generalist?

Dienstag, 23. April 2019

Seit Jahren schon frage ich mich, welches Ziel ein Arzt anvisieren soll – soll er rundum gebildet und Generalist oder lieber Spezialist mit schmalem aber scharfem Blick auf sein medizinisches Nischengebiet sein? Diese Diskussion ist keine besonders neue und wird schon seit mehr als 150 Jahren geführt. Selbst in meinem eigenen Leben erörtere ich diese Frage schon seit knapp 15 Jahren, erinnere mich noch an längere Gespräche mit meinem damaligen Doktorvater. Während ich vehement eine schmale Fachspezialisierung für mich ablehnte und das Ideal eines breitgebildeten Generalisten vertrat, empfahl er mir eine frühzeitige Festlegung auf ein kleines Gebiet. Er empfand mein Idealbild nicht nur als unrealistisch, sondern dem Fortschritt sogar abträglich.

Spätestens seit meiner ärztlichen Tätigkeit in den USA habe ich beobachten können, dass diese Tendenz der Nischenspezialisierung besonders stark im englisch­sprachigen Raum ausgebildet ist. Die Beispiele sind vielfältig, und jüngst nahm ich diese Tatsache einmal wieder verblüfft wahr, als ich an einer Ultraschallkonferenz für Schwangerschaftsdiagnostik teilnahm. Dort traten mehrere ältere Ärzte auf, die sichtlich stolz waren, der anerkannte Spezialist auf einem bestimmten Gebiet zu sein, wie zum Beispiel dem der pränatalen Fötalanämie oder der intrauterinen Wachstumsretardierung. Zum Teil waren sie seit 40 Jahren auf ihrem umgrenzten Medizingebiet tätig.

Meine bald schon sich über zwei Jahrzehnte erstreckende Erfahrung in der Medizin bestätigt leider den deutlichen Nutzen einer solchen Nischenspezialisierung. Vor allem wenn es darum geht, Professorenstellen, Fördergelder, Bekanntheit in einem Fachgebiet oder die Unterstützung seitens der Pharmaindustrie sich anzueignen.

Wer genau aufpasst, der beobachtet, dass man mit einer solchen Spezialisierung bequem fahren, den gleichen Vortrag in fast unveränderter Form Monat um Monat, Jahr um Jahr halten kann und von denselben Firmen unterstützt wird. Ähnlich wie ein Popsänger, der dasselbe Lied über Jahre oder sogar Jahrzehnte wiederholt, so referieren viele Spezialisten dasselbe Thema jahrein, jahraus.

​Ich beobachte diese Tatsache also mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Denn während ich am intellektuellen Reiz des Generalisten weiterhin festhalte, so weiß ich, dass mich die Spezialisten auf vielen Feldern nicht nur überflügelt haben, sondern weiterhin überflügeln werden.

LNS
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