Schon zum 27. Mal fand Mitte März das Deutsche Ärzteschachturnier statt: immer in einer Bäderstadt mit einem Casino in der Nähe des Schachsaals. Und wahrlich nicht zum ersten Mal – und sicher nicht zum letzten Mal – in Bad Homburg.
Wie schon in den Vorjahren durften sich gut 130 Ärztinnen und Ärzte, gar nicht selten mit Ehegespons oder gar Familie, eines äußerst launigen Empfangs durch den OB Alexander Hetjes und auf Einladung der Stadt nicht nur „en passant“ – natürlich passt auch dieser elegante französische Schachterminus bestens zu Bad Homburg – an einem köstlichen Buffet erfreuen. Ein intellektuelles und leibliches Vergnügen zugleich!
Als guter Oberbürgermeister weiß Herr Hetjes natürlich die Vorzüge seiner Stadt anzupreisen, doch stets charmant und oft mit einem Schuss Selbstironie gewürzt.
So erfuhren die Ärzte beispielsweise, dass die Spielbank seit vier Jahren der Stadt gehöre; insofern würde es durchaus gern gesehen, wenn die Ärzte am Abend nach der (gedanken-) schweren Schachkost diese aufsuchten – quasi zur Gegenfinanzierung des Empfangs. Solch einer freundlichen Einladung wird mancher schachspielende Arzt wohl nicht widerstehen haben wollen.
Schließlich gibt es berühmte Vorbilder. Der spätere amerikanische Weltmeister Bobby Fischer – man denke an sein Jahrhundertmatch gegen den Sowjetrussen Boris Spassky auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs 1972 in Reykjavik – wollte 1960, nach der Schacholympiade in Leipzig, einmal die (berühmte) Spielbank kennen lernen. Er war damals eine Woche lang in Bamberg, zu Gast beim Großmeister und Karl May-Verleger Lothar Schmid (der übrigens dann 1972 Schiedsrichter dieses äußerst konfliktreichen und vom Abbruch bedrohten Wettkampfs war) und während dieser Zeit auch einmal bei mir zu Hause, wo er mich nach einem Mittagessen beim Blitzschach vermöbelte – Fotos zeugen noch von dieser Begegnung.
Diesem Ansinnen Bobbys stand allerdings sein Alter von nur 17 Jahren entgegen – in Bad Homburg kann man auch streng sein. Schließlich gelang es dem welterfahrenen Lothar Schmid aber doch, seinen in der Schachwelt schon damals berühmten Gast (in Leipzig spielte er am Spitzenbrett der USA) ins Casino zu lotsen.
Dass es allerdings noch andere Möglichkeiten der Gegenfinanzierung gibt, zeigt die russische Gräfin Sophie Kisseleff, eine spielsüchtige Großmutter, der Dostojewski in seinem 1866 in Bad Homburg geschriebenen Roman „Der Spieler“ ein Denkmal setzt.
Zwar eine leidenschaftliche Spielerin, aber auch eine kluge Geschäftsfrau. Sie kaufte Spielbankaktien, sodass sie trotz ihrer in die Millionen gehenden Verluste am Roulettetisch dennoch auf der Gewinnerseite stand, wovon auch noch drei ihrer Häuser in der nach ihr benannten Straße am Kurpark zeugen – in gewisser Weise alimentierten ihre Spielverluste Ihre Dividenden.
Allerdings waren nicht alle so von der Spielbank angetan, so fand die viktorianische Schriftstellerin George Eliot Bad Homburg und sein Heilwasser zwar herrlich, das Glücksspiel aber abstoßend.
Auch Oscar Wilde muss sich dort bei der Trinkkur an den Heilquellen wohlgefühlt haben, obwohl ihn fünf (!) Ärzte bedrängten, doch das Zigarettenrauchen sein zu lassen – Gesundheit im Prinzip ja, aber alles in seinen Grenzen! In seinem Bühnenstück „Lady Windermeres Fächer“ lässt er die Herzogin von Berwick einen Aufenthalt in Bad Homburg gleich zweimal empfehlen.
Das tun wir jetzt auch, obwohl das kaiserlich-geschichtsträchtige Bad Homburg uns an diesem Märzwochenende nicht mit einem „Kaiserwetter“ empfing, wie OB Hetjes zwar bedauernd konzedierte, aber nicht hinzuzufügen vergaß, dass die Stadt mit dem herrlichen Kurpark auch so sehr schön sei.
Und ob – nicht zuletzt mit der Schachausstellung im Parkhotel der Familie Petry, das nicht nur diesmal viele der Ärzte beherbergte, sondern auch in der Vergangenheit schon Schauplatz bedeutender internationaler Turniere sowohl der Damen als auch der Herren war, beispielsweise konnte dort der vielfache Russische Meister Peter Swidler sich nur ungläubig vor der immer noch hohen Spielkunst des „alten“ Viktor Kortschnoi verbeugen.
Auch die Ärzte ließen sich von der Kühle nicht verdrießen, zumal es für Schachspieler im schönen Kursaal, selbstvergessen an ihren Brettern, die ihnen in diesem Moment die Welt bedeuten, Schlimmeres als nasskaltes Wetter gibt.
Auf das Turnier „in sensu stricto“ will ich in weiteren Berichten eingehen. Für heute nur soviel, dass einmal mehr Frau Dr. Utta Recknagel, die „Grande Dame“ des Ärzteturniers, in ihrer ganzen Liebenswürdigkeit die Damengilde anführte und dass nicht zum ersten Mal der Marktoberdorfer Kardiologe Dr. Patrick Stiller das Turnier gewann – mit fantastischen 8,5 Punkten aus neun Partien, worüber sich nicht zuletzt seine Tochter unbändig freute.
Zweiter wurde mit ebenfalls sehr guten acht Punkten der Grafinger Urologe Dr. Ulrich Zenker, dem eine Kombination „wie noch nie in seinem Leben“ gelang – dabei erlebt er im „Schach 960“ (bei diesem wird die Anordnung der Figuren auf der Grundreihe jeweils vorher ausgelost, sodass es insgesamt 960 Konstellationen gibt – einschließlich der uns vertrauten Grundstellung – und Theoriebüffeln insofern „für die Katz“ ist), für das er sogar Turniere ausrichtet und eine Stiftung gründete, sicher viel Ungewöhnliches.
(wKg1, Dd2, Tb1, Tf1, Lc1, Se4, Ba4, c4, d3, e2, f3, g3, h2;
sKg8, Dh3, Tb7, Tf8, Lh6, Sb4, Ba5, c5, d6, e5, f4, g6, h7)
Hier hatte Dr. Oliver Bucur, der auch immer vorne „mitmischt“, zuletzt 1.f2-f3 gezogen, um den ansonsten drohenden Bauernvorstoß 1...f4-f3 mit der Doppeldrohung 2...Dg2 matt und 2... Lxd2 zu verhindern – stattdessen wäre Dd2-d1 das richtige Rezept gewesen.
Mit welcher herrlichen Kombination konnte Dr. Zenker als Schwarzer nun trotzdem entweder die Dame erobern oder gar Matt geben?
Lösung zeigen
Nach 1...fxg3!! 2.Dxh6 gxh2+ 3.Kf2 (3.Kh1 Dxf1+ 4.Kxh2 Dxe2+ mit leichtem Gewinn) Sxd3+! (nicht 3...h1D 4.Txh1) gab Weiß schon auf, weil er nach 4.Ke3 Dxh6+ die Dame verlöre und nach 4.exd3 Txf3+ 5.Ke2 Dxf1+ 6.Kd2 Txd3+ 7.Kc2 Dd1 gar matt wäre.
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