Vom Arztdasein in Amerika
Wohlhabende Männer leben länger in USA als in Norwegen
Freitag, 2. August 2019
Es ist fast schon ein Allgemeinplatz geworden über die aus westlicher Sicht niedrige Lebenserwartung der Amerikaner zu diskutieren. Die Argumentation ist sehr einfach gestrickt und geht wie folgt: Dafür dass in den USA sehr viel Geld für das Gesundheitswesen ausgegeben wird, leben die Menschen nicht nur nicht länger, sondern kürzer.
Tatsächlich wurde 17,1% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für das amerikanische Gesundheitswesen im Jahr 2017 ausgegeben. Das ist ein wirklich hoher Wert und an zweiter Stelle folgte die Schweiz mit 12,3%, gefolgt von Frankreich mit 11,3%. Andere deutschsprachige Länder wie Deutschland (11,2%), Österreich (10,4%) und Luxemburg (5,4%) wiesen ebenfalls niedrigere Werte auf, wobei bei Luxemburg aufgrund des außerordentlich hohen BIPs ein statistischer Verzerrungseffekt mitursächlich ist.
Weiterhin war die Lebenserwartung in den USA mit 78,6 Jahren im Jahr 2017 deutlich niedriger als beispielsweise in Deutschland (81,1), Österreich (81,7), Luxemburg (82,2), Frankreich (82,6) oder der Schweiz (83,3 Jahren). Als Quelle dienen Zahlen der weltweit als seriös anerkannten OECD: https://stats.oecd.org/index.aspx?DataSetCode=HEALTH_STAT.
Soweit so einfach und für viele altbekannt. Man könnte also meinen, dass jeder der in den USA lebt, ein kürzeres Leben hat als wenn er beispielsweise in Deutschland oder Norwegen wohnt. Doch das ist nicht der Fall, denn das Einkommen muss berücksichtigt werden, wie eine Untersuchung aus Norwegen aufzeigt (Kinge JM et al. JAMA. 2019; 321 (19): 1916-1925).
Zunächst das für viele Ärzte Offensichtliche, nämlich die Abhängigkeit der Lebenserwartung vom Einkommen. Anders formuliert: Wer mehr Geld hat, der lebt länger. Das geht so weit, dass norwegische Frauen aus den oberen 1% 8,4 Jahre länger leben als jene Frauen aus den unteren 1%, während bei Männern dieser Unterschied ganze 13,8 Jahre beträgt – ein Mann, der zu den niedrigsten 1% der Verdienern gehört, lebt durchschnittliche 70,6 Jahre, während ein reicher Norweger aus den oberen 1% ganze 84,6 Jahre lebt. Für Details sei auf die Untersuchung verwiesen.
In den USA sind die Unterschiede zwischen arm und reich noch deutlicher ausgeprägt, wie auch diese Untersuchung aufzeigen konnte. Hier sollen wenige Zahlen Aufschluss geben: Frauen aus den unteren 1% leben knapp zehn Jahre kürzer als die aus den oberen 1%, bei Männern ist dieser Unterschied ganze 16 Jahre, also ausgeprägter als in Norwegen. Wer reich in den USA ist, der lebt mehr als 20% länger.
Spannend ist aber vor allem, dass reiche Amerikaner nicht nur deutlich länger als ihre armen Mitbürger leben, sondern sogar etwas länger als wohlhabende und reiche Norweger. Wenn man als Mann zu den oberen etwa 15% der amerikanischen Bevölkerung gehört, dann lebt man länger als ein Norweger aus den oberen 15%. Dieser Effekt baut sich immer weiter auf bis der Unterschied mehr als ein Lebensjahr beträgt. Übrigens gibt es diesen Effekt aber nicht bei den Frauen.
Es gibt für dieses Phänomen keine offensichtliche Erklärung. Profitieren Männer in einem eher ungleichen Land wie den USA mehr von ihrem Einkommen als in Norwegen? Ist das Gesundheitswesen doch besser und nur die wohlhabenderen können davon profitieren? Wieso trifft dieses Phänomen auf Männer, aber nicht auf Frauen zu?
Am Ende muss ich diese Zahlen einfach akzeptieren, will sie aber präsentieren um ein nuanciertes Abbild des amerikanischen Gesundheitswesens im internationalen Vergleich zu ermöglichen. Und als Mann, der in den USA lebt und zu den oberen 15% gehört, freut mich natürlich auch diese Statistik aus persönlichen Gründen heraus.
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.