Vom Arztdasein in Amerika
Der Wunsch nach Auswanderung unter deutschen Ärzten
Freitag, 6. September 2019
Kann sich noch jemand an folgende Nachricht vom Oktober 2018 erinnern: „Viele Deutsche würden gerne auswandern“? Sie entstammt der Süddeutschen Zeitung (Quelle: https://www.sueddeutsche.de/leben/familie-viele-deutsche-wuerden-gern-auswandern-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-181010-99-309486), wurde aber auch in anderen Zeitungen in ähnlichem Wortlaut gedruckt.
Damals hatte eine Befragung von knapp 2.100 Deutschen einen zunehmenden Auswanderungswillen zutage gefördert. Dabei war erstaunlich, dass nicht nur Jüngere sondern auch die nicht mehr ganz Jungen, im Fall der Studie also die über 55-jährige, ebenfalls und sogar verstärkt auswandern wollten. Die Motive waren weniger finanzieller Art als der Wunsch nach einem ruhigeren und entspannteren Leben (38%), einer höheren Lebensqualität (33%) oder einem besseren Wetter (31%).
55% aller Deutschen wollten laut dieser Untersuchung Ende 2018 auswandern – das empfand ich damals als Paukenschlag. Man stelle sich einmal vor, nur ein Zehntel würde diesen Wunsch umsetzen – Deutschland hätte auf einen Schlag vier Millionen Einwohner weniger. Abgesehen davon, dass sich die Frage stellt, welche Konsequenzen eine solche Migration für Deutschland und sein Sozialsystem hätte.
Doch statt einer größeren Diskussion passierte nichts, und die Studie verschwand klanglos vom Medienhorizont. Dabei wäre eine Diskussion nicht nur wegen des hohen Anteils auswanderungswilliger Deutscher nötig gewesen, sondern weil sich ihre Zahl deutlich seit 2016 erhöht hatte.
Doch was ist mit uns deutschen Ärzten? Wollen wir auswandern? Und gilt Ähnliches für die Ärzte aus Luxemburg, Österreich oder der Schweiz? Ist das Phänomen der Auswanderungssehnsucht auf die Kultur, auf die politische oder die wirtschaftliche Lage zurückzuführen? Es gäbe so viele spannende Fragen und Diskussionsmöglichkeiten.
Doch leider fehlen Zahlen – eine traurige Lücke aus meiner Sicht. Hier könnte ein wissenschaftlich Interessierter sicherlich ohne viel Arbeit eine Befragung und Publikation zusammenstellen. Weiterhin würde er im politischen Betrieb damit Aufmerksamkeit erregen.
Aus meiner Perspektive vermute ich eine Zunahme des Auswanderungswunsches unter deutschen, aber auch österreichischen Ärzten. Nicht nur, dass mir mittlerweile reihenweise Kollegen von ihrer Auswanderung beziehungsweise ihrem Wunsch auf Seminaren in Deutschland erzählen, sondern auch die mich über verschiedene Kanäle erreichende Korrespondenz zum Thema „Auswanderung in die USA“ hat deutlich zugenommen. In gefühlt immer kürzeren Abständen erhalte ich Anfragen von zum Teil seit Jahrzehnten arbeitenden Ärzten wie man in die USA auswandern und dort arbeiten könne.
Leider ist die Antwort, die ich geben muss, meistens eine für den Fragenden ernüchternde: Es gibt nur sehr, sehr selten Anerkennungsmöglichkeiten und wer in die USA gehen möchte, der muss im Regelfall aller Schritte der Weiterbildung durchlaufen.
Mich würde nun interessieren ob, ähnlich der oben zitierten Studie, der Wunsch nach Auswanderung unter Ärzten zugenommen hat. Falls ein Leser sich auskennt in diesem Thema, dann würde ich mich über Post freuen.
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