Vom Arztdasein in Amerika
Der umkämpfte Lebenslauf
Montag, 23. September 2019
Wer meine Texte regelmäßig liest, der wird wenig überrascht sein, wenn ich erneut folgendes schreibe: Es gibt (weiterhin) einen Ärztemangel in den USA. Kurzzeitig sah es so aus, als würden die zusätzlichen ärztlich tätigen Krankenschwestern und Arztassistenten diesen Mangel ausgleichen, doch das scheint nicht eingetroffen zu sein. Händeringend wird weiterhin nach Ärzten gesucht und entsprechend erhalte ich täglich diverse Arbeitsangebote und -anfragen.
Da ich mir absichtlich viel freie Zeit in diesem Jahr genommen habe, um an meinen Buchprojekten, Studium und Fortbildungen zu arbeiten, nun aber aufgrund einer recht großen Kinderschar (mit entsprechendem Unterhalt) und eines zu renovierenden Hauses in Sachsen deutliche Extraausgaben auf mich zukommen, habe ich einige wenige dieser Anfragen beantwortet.
Wir sind in den USA, deshalb wird neben wenigen Höflichkeitsfloskeln nach dem Schema „Danke für Ihr Arbeitsangebot. Von Ihrer Firma habe ich Positives gehört“ (was meistens nicht zutrifft, aber in den USA gilt die kleine Lüge nicht als Lüge, sondern als Höflichkeitsgeste), schnell zum wichtigsten Thema übergegangen: „Was zahlen Sie mir?“
Aber auch hier ist klar, dass wir in den USA sind und dass man keine direkte und ehrliche Antwort erhalten wird. Oder ein unverschämt niedriges Angebot. Es wird zurückgeschmeichelt oder -gelogen („Dr. Niemann, Sie sind uns schon von Ihren Kollegen sehr positiv erwähnt worden“) und dann wird meist abgelenkt: „Da muss ich erst einmal die Zahlen analysieren und melde mich bald zurück“. Natürlich meldet sich die Person dann nicht mit einer Zahl zurück, sondern nach zwei, drei Nachrichten stellen beide Seiten fest, dass sie keinen Schritt weitergekommen sind.
Es ist wie ein Tennis-Spiel, bei dem niemand auf Risiko spielen möchte und der Ball lustlos von einer Spielhälfte in die andere gespielt wird.
Am Ende eines solchen Austausches steht dann meiner zumeist noch offenen Frage stets dieselbe Gegenbitte gegenüber, nämlich die um Zusendung meines Lebenslaufes. Während ich früher für solche Fälle stets eine Kurzfassung parat hielt und im Prinzip jedem zuschickte, bin ich mittlerweile sehr vorsichtig geworden. Denn ich stellte einen Missbrauch fest. Auf der einen Seite häuften sich die Anfragen von diversen Anbietern an meine Post- und E-Postadresse wie auch Anrufe unter jenen Telefonnummern, die ich im Lebenslauf anführe. Wie ich mittlerweile weiß, geben viele Vermittlungsfirmen ihre Kontaktdaten für etwas Geld an Drittanbieter weiter.
Auf der anderen Seite erschwert es mir die Bewerbung an einem Krankenhaus. Denn ich werde nach Zusendung meines Lebenslaufs offiziell als ein Klient bei der Vermittlungsfirma geführt, und das, obwohl ich nur meinen Lebenslauf zugeschickt habe. Da diese Vermittlungsfirmen oft Verträge mit Krankenhäusern haben, in denen ihnen eine Vermittlungsgebühr zusteht, wenn einer ihrer Klienten sich bei ihnen bewirbt, versuchen sie so, mich und das Krankenhaus unter Druck zu setzen.
So ist es also stets dasselbe ärgerliche Spiel, bei dem ich Zeitaufwand habe, aber nicht an die erbetenen Informationen herankomme. Wenn ich dann doch meinen Lebenslauf zusende, erhalte ich im Regelfall ein unverschämt niedriges Angebot und will mittlerweile diesen Tanz, den ich schon so oft getanzt habe, nicht mit jeder Vermitlungsfirma tanzen. Das Gespräch bricht deshalb nach dieser Bitte nach meinem Lebenslauf und meiner letzten Bitte um klare Zahlen fast jedes Mal ergebnislos ab.
Klar, es geht hier auch um viele Tausende Dollar an Vermittlungs- und Provisionsgebühren, ich verstehe da schon das Vorgehen. Aber wie bei allem, kommt das Geld nicht einfach aus der Luft oder einem Bankautomaten, sondern es kommt entweder aus der Tasche des Arztes, oder des Krankenhauses, und damit am Ende aus der des Patienten. Und die haben sowieso schon Rechnungen, die hoch genug sind.
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