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Gesundheit! Das Internet ist voll von medizinischen Ratschlägen. Viele sind gut gemeint. Manche sind skurril. Nicht alle halten, was sie versprechen. Hinter manchen vermeintlich harmlosen Tipps verbergen sich materielle Interessen. Unser Autor rme recherchiert, was evidenzbasiert ist und was nicht.

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Wie gesund sind Kaffee und Tee?

Freitag, 19. März 2021

Kaffee und Tee sind die Lieblingsgetränke der Epidemiologen. Während andere Genuss­mittel wie Alkohol, Tabak und Zucker eher mit Krankheiten in Verbindung gebracht werden, ist die Bilanz bei den traditionellen koffeinhaltigen Getränken positiv. Wer täglich mehrere Tassen Kaffee trinkt, hat nach den übereinstimmenden Ergebnissen der prospektiven Studien ein vermindertes Sterberisiko. In den meisten Studien ist der Zusammenhang sogar Dosis-abhängig, was für eine Kausalität spricht.

Natürlich gibt es eine Grenze. Die Dosis, ab der Koffein toxisch wirkt, ist jedoch sehr hoch. Ein Erwachsener müsste schon 75 bis 100 Tassen Kaffee trinken, um die tödliche Dosis von 10 bis 14 Gramm Koffein zu erreichen. Bei Energydrinks, die 320 mg Koffein pro Liter enthalten können, wäre dies schon eher möglich, zumal synergetische Wirkungen mit anderen Inhaltsstoffen denkbar sind, die bei anfälligen Menschen den Blutdruck ansteigen lassen und das Risiko von Herzrhythmusstörungen erhöhen.

Bei Kaffee und Tee ist dies weniger wahrscheinlich. Die verbreitete Ansicht, dass Koffein den Blutdruck erhöht, trifft bei den meisten Menschen nur in den ersten Wochen zu. In der Regel kommt es schnell zu einem Gewöhnungseffekt. Trotz des Gefühls von Palpitationen, die einige Menschen nach einem höheren Konsum berichten, konnte in epidemiologischen Studien keine Assoziation mit dem Vorhofflimmern nachgewiesen werden.

Einige Zubereitungsarten wie Espresso, Presskaffee oder Mokka können das HDL-Cholesterin erhöhen, während der klassische Filterkaffee keine Auswirkungen auf den Lipidstoffwechsel hat. Das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist bei Kaffeetrinkern nicht erhöht. Langfristig ist ein höherer Kaffeekonsum sogar mit einem Rückgang der kardiovaskulären Sterblichkeit verbunden.

Auch die negativen Auswirkungen auf den Glukosestoffwechsel sind nur kurzfristig: Koffein hat in experimentellen Studien die Insulinwirkung herabgesetzt, was im Prinzip das Risiko auf einen Typ-2-Diabetes erhöht. Auch hier scheint es einen Gewöhnungseffekt zu geben. Hinzu kommt, dass Koffein den Appetit mindert und den Energieverbrauch steigert. Beides könnte erklären, warum Kaffeetrinker in den größeren epidemiologischen Studien seltener an einem Typ-2-Diabetes erkrankten.

Kaffee könnte sogar eine krebspräventive Wirkung haben. Kaffeetrinker erkranken (etwas) seltener an Hautkrebs, Brustkrebs und Prostatakrebs als Abstinenzler. Besonders deutlich ist der Einfluss auf die Leber. Das Risiko einer Leberzirrhose war in epidemiologischen Studien um 55 % gesenkt, Leberkrebs trat zu 40 % seltener auf.

Auch Gallen- und Nierensteine sind bei Kaffeetrinkern seltener. Die Leber-protektive Wirkung lässt sich plausibel auf den Wirkungsmechanismus von Koffein zurückführen. Das Mittel blockiert die Wirkung von Adenosin, das in Laborstudien die Bildung von Fibrin und Kollagen stimuliert hat.

Der Adenosin-Antagonismus von Koffein wird auch für die erstaunliche Verminderung des Parkinsonrisikos verantwortlich gemacht. Die neurodegenerative Erkrankung tritt bei Kaffeetrinkern zu 31 % seltener auf (allerdings nur, wenn der Kaffee koffeinhaltig ist).

Ungesund ist Kaffee nur für Schwangere. Koffein ist plazentagängig. Das Risiko eines Schwangerschaftsverlusts ist um 23 % erhöht, die Wahrscheinlichkeit eines niedrigen Geburtsgewichts steigt um 44 %. Schwangere sollten deshalb nicht mehr als 200 mg Koffein am Tag zu sich nehmen. Das wären zwei Tassen gebrühter Kaffee oder drei Espresso. Bei anderen Erwachsenen raten Ernährungswissenschaftler zu einer maximalen Dosis von 400 mg Koffein.

Wenig bekannt ist, dass Koffein die Elimination von anderen Medikamenten über das Enzym CYP1A2 in der Leber beeinflusst. Die Wirkung einiger Antiepileptika wie Carbamazepin war in Experimenten an Ratten und Mäusen verhindert. Andererseits können Medikamente die Halbwertzeit von Koffein verlängern. Dies ist bei einigen hormonellen Kontrazeptiva der Fall. Rauchen beschleunigt dagegen den Abbau von Koffein. Kaffee und Zigarette behindern sich als Aufputschmittel gegenseitig.

Kaffee auf Rezept wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Die meisten Erkenntnisse zu den protektiven Wirkungen von Koffein beruhen auf epidemiologischen Studien, die bekanntlich häufig zu verzerrten Ergebnissen führen und sich deshalb als Grundlage für Therapieempfehlungen nicht eignen. Das Minimalfazit ist, dass Kaffee im Gegensatz zu anderen Genussmitteln keine schädlichen Wirkungen hat und deshalb als Teil eines gesunden Lebensstils angesehen werden kann.

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