Vom Arztdasein in Amerika
Finanzielle Einbußen durch COVID-19
Mittwoch, 16. Dezember 2020
Viele von uns die im Gesundheitsbereich arbeiten, haben während der sogenannten COVID-19-Pandemie immer wieder mitgeteilt bekommen, wie wichtig die Arbeit im Gesundheitswesen für die Gesellschaft sei: „Krankenpfleger, Pflegeassistenten, Rettungssanitäter, Ärzte und alle, die im Gesundheitsbereich tätig sind, sind wesentliche Stützen unserer Gesundheitsversorgung“.
Es tat vielen von uns gut diese öffentliche Anerkennung zu erhalten. Zusätzlich gab es kleinere Gesten der Dankbarkeit, und ich erinnere mich z.B. an Angebote von Kaffeefilialen und Tankstellen, kleine Geschenke, einen Schokoladenriegel oder eine Tasse Kaffee umsonst zu bekommen weil wir im Gesundheitssektor arbeiten. Auch ein persönliches Lob oder eine kleine Dankeskarte waren positive Erinnerungen aus dieser Zeit der frühen COVID-19-Pandemie.
Doch wie so oft folgten den netten Worten der Politiker und Administratoren keine Taten. Mittlerweile ist in den USA die erste größere Zahl an COVID-19 positiv Getesteten und -Infizierten vom Gesundheitssystem versorgt worden, und damit die erste „Welle“ verstrichen. Das erlaubt einen Rückblick angesichts nun verfügbarer Zahlen, wie und ob sich beispielsweise diese Dankesworte auch jenseits kleiner symbolischer Gesten niederschlug. Und was ist am Wichtigsten in den USA? Geld. Hat sich also dieser Dank in höheren Verdiensten oder Zulagen niedergeschlagen?
Die Antwort ist ein klares Nein. Die Mehrzahl der Ärzte hat während der sogenannten ersten Pandemiewelle sogar deutliche finanzielle Einbußen hinnehmen müssen: 62 % von mehr als 1.000 befragten amerikanischen Ärzten gaben an, dass ihr Einkommen in der ersten Hälfte des Jahres 2020 gesunken sei. Wer sich noch an diese Zeit erinnert, der weiß auch warum: Eher unterdurchschnittlich belegte Krankenhäuser, abgesagte Operationen und verwaist wirkende Arztpraxen. Einige meiner chirurgischen Kollegen haben damals monatelang Urlaub gemacht und einem wurde sogar gekündigt, weil es viel zu wenig Arbeit gab.
Entsprechend dramatisch waren z.B. die Geldeinbußen bei Augenärzten, plastischen Chirurgen, HNO-Ärzten und Allergologen, denn hier finden viele Routineeingriffe statt. Etwa die Hälfte dieser Kollegen mußte während der ersten COVID-19-Pandemiewelle mit Einnahmeeinbußen von mehr als 50 % zurechtkommen.
Natürlich wird auf hohem Niveau geklagt. Denn noch immer verdienen amerikanische Ärzte im internationalen Vergleich sehr gut. Trotzdem ist es wichtig aufzuzeigen, dass zwar öffentliches Lob verteilt wurde, die allermeisten Ärzte aber klare finanzielle Einschnitte zu verkraften hatten, die Pandemie also nicht nur emotional und beruflich, sondern auch pekuniär belastend war. Übrigens wollen deshalb jetzt etwas mehr als 20 % der befragten Ärzte vorzeitig in Rente gehen, aber das ist ein anderes Thema.
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.