praxisnah
Schön, dass ich heute noch jemanden helfen kann
Freitag, 26. Februar 2010
Alles für unsere Schutzbefohlenen zu geben, so fordert es die ärztliche Hingabe, so soll es sein. Aber das klappt nicht immer, meistens immer seltener. Heute sitzt der Sohn einer Patientin vor mir, die schräg gestellten Augenbrauen verheißen kein einfaches Gespräch.
Ich hatte bei seiner Mutter eine Koronarangiographie durchgeführt, eine beginnende koronare Herzerkrankung diagnostiziert, und ich soll nun dem Sozialgericht klar machen, dass die Mutter aufgrund dessen erwerbsunfähig ist. Das ist schwierig.
Ich versuche ihm zu erklären, dass die Krankheit seiner Mutter zwar therapeutisch bedeutsam, aber in ihrer Ausprägung für eine wirkungsvolle Eingabe am Sozialgericht nicht geeignet ist. Weil nicht so schwerwiegend, glücklicherweise. Das wiederum kann der Sohn nicht nachvollziehen, die Augenbrauen schrägen sich noch weiter.
Geduldig erläutere ich, dass die Perspektive der Mediziner und Juristen, die in Sozialgerichtsverfahren über eine Erwerbsunfähigkeit zu entscheiden hätten, sich grundsätzlich von den Motivationen der niedergelassenen Ärzte unterscheiden würde. Und dass für die Beschwerden der Mutter ein gravierender Befund notwendig sei, um die Erwerbsunfähigkeit zu begründen.
Aber ihre Koronarerkrankung, die könne nun mal nicht dafür verantwortlich gemacht werden. So ist das nun mal. Tut mir Leid. Der Sohn verlässt das Sprechzimmer, sichtlich echauffiert, weil ich ihm nicht helfen konnte.
Ich hatte keine Chance, eigentlich war mir das von vornherein klar. Im EKG nebenan wartet eine Patientin mit einer AVNRT und einer Herzfrequenz von 176 pro Minute. Ich konvertiere die Rhythmusstörung in Minutenfrist. Schön, dass ich heute noch jemanden helfen kann.