Gesundheit
App statt Freud
Mittwoch, 15. Februar 2012
Früher begaben sich Patienten mit Angststörungen oft
wochenlang auf die Couch des Psychoanalytikers, später folgen wöchentliche
Gruppensitzungen, dann Einzelgespräche zur kognitiven Verhaltenstherapie und
natürlich Medikamente. Künftig könnte ein App auf dem Smartphone helfen, die
Angststörungen zu beseitigen.
Der Therapieansatz lautet CBM oder „cognitive bias
modification“ und könnte durch folgendes Progrämmchen umgesetzt werden. Auf dem
Bildschirm erscheinen in kurzer Abfolge gleichzeitig jeweils zwei Bilder. Das
eine zeigt eine freundliche, das andere eine wütende Person. Die Bilder
verschwinden und an der Position der freundlichen Person folgt ein Zeichen, das
der Nutzer anklicken muss, um Punkte zu sammeln.
Personen mit Angststörungen sind zunächst im Nachteil. Ein
Grund für ihre Angststörung ist nämlich, dass sie auf wütende Gesichter fixiert
sind. In größeren Menschengruppen identifizieren sie schnell Personen, die
ihnen angeblich gram sind. Darin sehen einige Psychologen die Grundlage der
Agoraphobie, die im Extremfall dazu führt, dass sie ihre Wohnungen nicht mehr
verlassen.
Mit der Zeit lernen die Patienten mit Angststörungen, dass
sie im Spiel mehr Punkte erzielen, wenn sie auf freundliche Gesichter achten,
da sie dann das darauf folgende Zeichen schneller anklicken können. Wenn die
Patienten die App lange genug spielen, geht nach dem therapeutischen Konzept der
CMB die „kognitiver Bias“ hin zu den unfreundlichen Gesichtern verloren. Diese
„kognitive Impfung“ könnte auch bei anderen psychischen „Fixationen“ oder bei
der Tabakentwöhnung wirksam sein.
In einer kürzlich publizierten Studie an 186 Kindern mit
Angststörungen hat die CBM funktioniert (die Sitzungen fanden allerdings am
Computer statt, eine App muss erst noch geschrieben werden). Die
Angstreaktionen der Kinder besserten sich allmählich, wie der Psychologe Yair
Bar-Haim von der Universität Tel Aviv berichtet. Dazu waren allerdings 480
Trial-Sessions notwendig.
Die Therapie kann dadurch ebenso langwierig sein wie
konventionelle Sitzungen bei Freud und Co. Ob sie ebenso langweilig sind,
dürfte von den Programmierern der Apps abhängen. Die Entwickler von Angry Birds
und Fruit Ninja sind also herausgefordert. Gebt Euch gefälligste Mühe und
produziert endlich etwas Sinnvolles. P.s.: Ob die Therapie tatsächlich
funktioniert, lässt sich aufgrund einer einzigen Studie natürlich nicht
beurteilen.
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