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Vom Arztdasein in Amerika

Vom Arztdasein in Amerika

Das Staatsexamen wurde 2007 abgelegt, und nicht nur die Frage der Fachrichtung, sondern auch die des Arbeitsortes musste beantwortet werden. Nachdem das Assistenzarztdasein in Frankreich und Deutschland ausprobiert wurde, ging es nach Minneapolis im Jahr 2009. Es schreibt Dr. Peter Niemann über seine Ausbildung zum Internisten (sowie der Zeit danach) und über die Alltäglichkeiten, aber auch Skurrilität eines Arztlebens in USA.

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Vom Arztdasein in Amerika

Als junger Mensch und Patient ernst genommen

Freitag, 16. März 2012

Vor knapp zehn Jahren auskultierte ich an mir ein Herzgeräusch. Da ich sportlich schon immer sehr aktiv war und beispielsweise einen Marathon damals unter vier Stunden lief, wusste ich zwar, dass es wohl nichts allzu Ernsthaftes sein könne, dennoch war ich besorgt und wollte es abklären lassen. Ich unternahm hierfür mehrere Anläufe bei verschiedenen Internisten und Kardiologen in Deutschland, doch wenngleich jeder Arzt den Auskultationsbefund bestätigte, so unternahm keiner von ihnen weitere Diagnostik und selbst die Anamnese war dürftig.

Als Fließgeräusch konnte es nicht abgetan werden, dafür waren Qualität und Lokalisation zu atypisch, aber „es sei wohl nichts“ wie man mir versicherte. Ein Arzt sagte mir damals sogar, dass er Wichtigeres zu tun habe als auf ängstliche Befindlichkeiten eines Medizinstudenten einzugehen.

Ich schob das Herzgeräusch beiseite und ließ meine Arztkollegen damit in Ruhe. Doch etwas Frust blieb zurück. Außerdem die Frage, wieso man es nicht abgeklärt hatte: Weil man mit dem Stethoskop so sicher sein und etwas Pathologisches ausschließen könne?

Nein, die Sensitivität und Spezifität sind dafür nicht hoch genug. Oder weil ich gesetzlich krankenversichert war? Oder weil ich jung bin und man das Geld bei jungen Patienten sparen muss zugunsten der Krankenversorgung der Alten? Immerhin liegt das Durchschnittsalter von uns Deutschen mit 44,1 Jahren selbst jetzt noch 12 Jahre über meinem Lebensalter (z.B. http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,754546,00.html). Die Krankenkassen haben gerne Patienten wie mich, weil ich wenig koste, aber viel zahle.

Nun ging ich in den USA kürzlich zu einem Internistenkollegen, eine seit vielen Jahren überfällige Routineuntersuchung. Ohne dass ich es ansprach, stellte er sogleich das atypische Herzgeräusch bei der Auskultation fest und meldete mich zu einem Herzultraschall an. „Es wird wohl nichts sein, aber wir wollen sicher sein“ sagte er zu mir und ordnete eine Reihe weiterer Laborwerte und Untersuchungen an. „Wir wollen Sie auch noch in 40 Jahren als Arzt arbeiten haben“, sagte er mir zuzwinkernd.

So kann ich das leise Systolikum endlich abklaeren lassen und werde wohl in Baelde optisch erfahren, ob es etwas Ernsthaftes ist. Ich fuehle mich ernst genommen als Patient. Aber es bleiben obige Fragen: Haette man das wohl in Deutschland abgeklaert wenn ich Privatpatient gewesen waere? Stimmt meine Einschaetzung, dasz man in Deutschland versucht Ressourcen bei jungen Menschen zu sparen, um es dann fuer die Alten in ausreichendem Masze zu haben? Zugespitzt gefragt: Muessen die Jungen also nicht nur fuer die Rente der Alten arbeiten, sondern auch fuer deren Gesundheitsversorgung Abstriche hinnehmen?

LNS
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