Vom Arztdasein in Amerika
Eine verbesserte Diagnose des Bluthochdruckes
Dienstag, 20. März 2012
Für einen Internisten ist der Hypertonus eine
wichtige und ernstzunehmende Erkrankung: Er verursacht eine sehr hohe Zahl
kardiovaskulärer Erkrankungen und bedingt z.B. Kardiomyopathien und
Niereninsuffizienzen in erschreckend hoher Zahl. Der Kampf gegen erhoehte
Blutdruckzahlen wird manchmal von Nichtinternisten als virtueller Kampf gegen „irgendwelche
Zahlen“ belächelt, ist aber in Wirklichkeit viel mehr, nämlich die Prävention
gravierender Krankheitsbilder.
Daher gibt es unzählige Publikationen und Leitlinien
zu diesem Thema, eines der bekannteren ist in den USA der „siebte Bericht des
gemeinsamen nationalen Ausschusses zur Prävention, Diagnose und Behandlung des
hohen Blutdruckes“ (http://www.nhlbi.nih.gov/guidelines/hypertension/jnc7full.pdf). In diesem wird die Diagnose des Hypertonus folgendermaßen
festgelegt: Zweimal hintereinander gemessene Blutdruckerhöhung (≥140/90) an
jeweils zwei verschiedenen Praxisbesuchen. Fuer unsere Praxis war diese
Definition die maßgebliche, auch wenn es natürlich noch andere Möglichkeiten
und Leitlinienvorschläge gibt, wie eine Hypertonusdiagnose festgestellt wird.
Für einen Internisten des 21. Jahrhunderts, einem
Jahrhundert höchster apparativer Diagnostik, erscheint solch eine Diagnose
etwas grob und schwerfällig: Nur wenige Blutdruckmessungen sollen darüber
entscheiden, ob jemand nun einen Hypertonus hat und zumeist lebenslänglich
diverse Medikamente einnehmen soll. Da es neben dem regulaeren Hypertonus auch
noch mannigfaltige Schattierungen eines Bluthochdruckes gibt wie z.B. nächtlicher
Hypertonus oder Praxishypertonus bzw. Weißkittelsyndrom, suchten wir
Internisten an unserem Lehrkrankenhaus nach Alternativen und Ergänzungen der
Diagnose.
Wir führten eine neue Diagnostik ein: Die ambulante
24-Stundenblutdruckmessung. Wir haben acht solcher Blutdruckgeräte gekauft und
verschreiben unseren Patienten nun ambulante Blutdruckmanschetten, die sie 24
Stunden zu tragen haben; manche von uns wie z.B. ich haben das ebenfalls
erprobt. Die Manschette bläst sich alle 20 Minuten – nachts alle 30 Minuten –
automatisch auf und speichert dann die Blutdruckwerte. Am nächsten Tag werden
diese dann vom verschreibenden Arzt ausgewertet und in einem Folgetermin
besprochen.
Es zeigen sich überraschende Ergebnisse: Viele
Patienten, die einen vermeintlichen Hypertonus hatten, hatten plötzlich normale
Blutdruckwerte und nur im Rahmen des Praxisbesuches erhöhte Werte – ein
Weißkittelsyndrom eben. Andere Patienten mit vermeintlich normalem Blutdruck haben
dafür überraschenderweise nachts erhöhte Blutdruckwerte – was eine
gesteigerte Morbidität bedeutet. In einer großen Zahl an Fällen hatten diese
Messungen also therapeutische Konsequenzen.
Als Folge dieser veränderten Diagnostik haben wir
für unser Krankenhaus und Praxis neue Leitlinien entwickelt. So geht der Kampf
gegen den hohen Blutdruck und damit kardiovaskulaere Erkrankungen weiter, mit
etwas verbesserten und technologisierten Mitteln unsererseits.
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