Gesundheit
Möglichkeiten und Risiken eines HIV-Selbsttests
Mittwoch, 4. Juli 2012
Wie sich die Zeiten ändern. Als 1984 der erste
Antikörpertest auf HIV entwickelt wurde, stieß er in den betroffenen Gruppen
auf vehemente Ablehnung. Aids-Aktivisten befürchteten, der Test werde die
Ausgrenzung von Homosexuellen und i.v.-Drogenabhängigen fördern und die positiv
Getesteten reihenweise in den Suizid treiben. Das war verständlich, weil
mangels effektiver Medikamente ein positives Testergebnis einem Todesurteil
gleich kam. Aus der Public-Health-Perspektive könnte die Weigerung zu Tests in
Risikogruppen die Ausbreitung von HIV jedoch gefördert haben. Doch das ist
Schnee von gestern.
Seit Anfang der 90er Jahre gibt es Medikamente, die den
Infizierten das Leben retten können, und die Studien zeigen, dass ein
frühzeitiger Beginn der Therapie für den Infizierten von Vorteil ist. Die
Therapie minimiert auch das Risiko, andere mit HIV zu infizieren (auch wenn
dieser Schutz nicht absolut sicher ist).
In der Klinik sind HIV-Tests heute Routine, die Selbsttests
wurden jedoch weiter skeptisch beurteilt. Dabei ist der Selbsttest einfach, da
die Antikörper auch auf den Schleimhäuten nachweisbar sind. Eine Blutentnahme
ist nicht notwendig. Dennoch lag der Antrag des Herstellers Orasure 7 Jahre bei
der Arzneibehörde FDA, bis jetzt die Zulassung erteilt wurde. Zuletzt verlangte
die FDA, dass der Test idiotensicher ist und auch von medizinischen Laien
fehlerfrei durchgeführt werden kann.
Das konnte in Studien belegt werden: Auf 5.000 Tests kommt
ein falsch-negatives und 12 falsch-positive Ergebnisse. Die falsch-negativen
werden sich wahrscheinlich in Zukunft erneut testen, wenn sie nach einer
möglichen Exposition einen Anlass dafür sehen, bei den falsch-positiven Tests
führt die anschließende Prüfung beim Arzt zur Entwarnung.
Die Selbsttestung soll Infizierte motivieren, sich
frühzeitig therapieren zu lassen. Aber natürlich spielen auch
Public-Health-Argumente eine Rolle. Mit der Reduktion der Dunkelziffer der
nicht erkannten HIV-Infektionen sinkt auch die Zahl der Neuinfektionen in der
Bevölkerung, lautet die Hypothese. Ob sie stimmt, bleibt abzuwarten. Eine
Gefahr besteht darin, dass Risikogruppen den Test wie einen
„Schwangerschaftsnachweis“ handhaben und bei einem negativen Ausgang eine Infektion
für sich ausschließen. Dies ist nicht der Fall.
Nach frischen Virusinfektionen kommt es erst nach einer
gewissen Latenz zur Bildung von Antikörpern. Bei HIV kann dies nach einer
Neuinfektion bis zu 3 Monate dauern. Voraus geht die Phase einer primären
Virämie, in der die Viruskonzentrationen im Blut sehr hoch sind und das
Ansteckungsrisiko erheblich ist.
Wenn der Test verwendet wird, um das Safer-Sex-Verhalten zu
justieren – nach dem Motto: Ich benutze keine Kondome, solange ich nicht
positiv bin – kann die Illusion des Selbsttests schnell die HIV-Epidemie
fördern, statt sie einzudämmen. Der Anstieg der Syphilis-Infektionen bei der
Risikogruppe MSM ist ein Signal dafür, dass die Sorglosigkeit in letzter Zeit
wieder zugenommen hat.
Der OraQuick-Test soll in den USA ab Oktober in Apotheken
eingeführt werden. Da der Verkauf nicht reglementiert wird, dürfte er dann auch
über das Internet gehandelt werden. Der Hersteller hat noch keinen Preis
genannt. Beobachter rechnen damit, dass er teurer wird als der im Wesentlichen
identische Kliniktest, der in den USA für etwa 17,50 Dollar angeboten wird.
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