Dr. werden ist nicht schwer...
Die Abteilung stinkt vom Chefarzt her
Donnerstag, 13. September 2012
Nachdem ich mich in meinen beiden letzten Beiträgen mit dem
Umgang mit Privatpatienten beschäftigt habe, bietet es sich eigentlich an, sich
endlich wie zuvor versprochen meinem Chef zu widmen. Mir war durch kollegiale
Berichte bereits bekannt, dass es solche Charaktere gibt und doch versetzten
mich einige der bisherigen Erfahrungen in fassungsloses Staunen.
Ein erstes Ausrufezeichen setzte er wenige Wochen nach
meinem Dienstantritt, als er die Frühbesprechung nutzte, um uns mitzuteilen,
wie groß der Einbruch seiner Einnahmen durch Privatpatienten ist und dass wir
Assistenten mehr (wohlgemerkt medizinisch nicht indizierte) Untersuchungen
vornehmen sollten. Vor allem die Art und Weise war dabei erstaunlich. Der Ton
war geradezu vorwurfsvoll und die Mimik schrie derweil nach Mitleid, als sei es
selbstverständlich, dass Assistenten ohne Poolbeteiligung sich über zusätzliche
Arbeit zum pekuniären Wohl des Chefs freuen.
Im weiteren Verlauf habe ich dann festgestellt, dass
bestimmte Eingriffe, Dokumentationen und Liegezeiten sich dem Status „P“ (wie
sehr ich es mittlerweile hasse, wenn es heißt: „der ist P.“, als wäre es ein
undurchschaubarer Geheimcode) sehr merkwürdig bis grenzwertig
anpassen.
Ansonsten tritt der Chef nicht sonderlich in Erscheinung.
Bei den Visiten ist er mit wenig Infos zufrieden. Bei Kassenpatienten ist er
bisweilen desinteressiert. Er verlässt häufig vor der Nachmittagsbesprechung das
Krankenhaus und scheint sehr viel mehr Urlaubstage zu haben als ich. Manchmal
unterhält er die Kollegen mit einer Anekdote, die er dank seiner
charismatischen Art sehr amüsant vorträgt. Neulich assistierte er mir sogar bei
einer Operation und nahm sich richtig viel Zeit, mir einige Kniffe zu zeigen.
Fürchtet, dass dies ein Einzelfall bleiben wird,
Euer Anton Pulmonalis