Gesundheit
Genie und Wahnsinn – der epidemiologische Beleg
Mittwoch, 17. Oktober 2012
Ernest Hemingway, Virginia Woolf und Hans Christian Andersen
litten unter Depressionen, Robert Schumann und Graham Greene litten an einer
bipolare Störung. Van Gogh, ein klarer Fall von Schizophrenie, Mozarts
Verhalten sicher wegen eines Tourette-Syndroms grenzwertig, und
Hölderlin war wohl auch nicht ganz dicht im Kopf. Für den Volksmund gilt
ohnehin schon immer, dass Genie und Wahnsinn eng beieinander liegen.
Den epidemiolgischen Beleg hierfür liefert Simon Kyaga vom
Karolinska Institut in Stockholm, der die Berufe von 1,2 Millionen
psychiatrischer Patienten und ihrer Verwandten analysierte. Schon im letzten
Jahr konnte der Forscher zeigen, dass mentale Erkrankungen wie die bipolare
Störung bei Künstlern, aber auch Wissenschaftler häufiger auftreten als in der
Allgemeinbevölkerung. Jetzt hat Kyaga die Analyse um weitere psychiatrische
Diagnosen erweitert.
Schweden, die als Beruf Tänzer, Forscher, Fotograf oder
Autor angegeben hatten, leiden häufiger als andere an Schizophrenie,
Depression, Angsterkrankungen oder Drogensucht. Sie haben auch ein im Vergleich
zur Allgemeinbevölkerung um 50 Prozent erhöhtes Suizidrisiko. Genie und
Wahnsinn treten familiär gehäuft auf: Patienten mit Schizophrenie, bipolarer
Störung, Anorexia nervosa und bis zu einem gewissen Grad auch Autismus haben
häufiger Kreative in der Verwandtschaft.
Für Kyaga stellt sich da die Frage
nach therapeutischen Konsequenzen. In der Medizin und in der Psychiatrie werde
vielleicht häufig in schwarz-weiß-Kategorien gedacht, mutmaßt er. Mag sein,
dass nicht alle psychiatrischen Symptome behandelt werden müssen. Dass eine
Behandlung mentaler Symptome die Kreativität mildert, ist jedoch nicht belegt.
Es ist umgekehrt denkbar, dass Hemingway und Woolf noch weitere bemerkenswerte
literarische Werke produziert hätten, wenn sie ihrem Leben nicht vorzeitig ein
Ende bereitet hätten.
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.