Gesundheit
Cochrane: Gesponserte Studien mit verzerrten Ergebnissen
Mittwoch, 12. Dezember 2012
„Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“. So lässt sich überspitzt
das Ergebnis einer neuen Meta-Analyse des Nordic Cochrane Centre
zusammenfassen. Andreas Lundh vom Rigshospitalet in Kopenhagen und Mitarbeiter
bestätigen, was bereits in früheren Meta-Analysen herausgekommen war. Sind die
Studien vom Hersteller gesponsert, wird (nach der aktuellen Analyse) zu 24
Prozent häufiger eine positive Wirkung gefunden, die Angaben zu den
Nebenwirkungen fallen sogar zu 87 Prozent häufiger positiv aus.
Industriegesponserte Studien enthalten auch häufiger günstige Schlussfolgerungen.
Noch krasser sind die Ergebnisse, wenn eine Studie das Medikament oder das
Medizinprodukt des Sponsors mit dem eines Konkurrenten vergleicht. Das eigene
Produkt siegt dann 4,64-fach häufiger und die Schlussfolgerungen fallen
5,90-fach häufiger zugunsten des Sponsor-Präparates aus.
Dies sind keine neuen Erkenntnisse und auch die Daten, die
Lundh und Mitarbeiter verwenden, sind leider nicht neu. Die Analyse umfasst den
Zeitraum von 1948 bis 2010. Dabei wertet sie selbst keine einzelnen Studien aus.
Es handelt sich überwiegend um die Zusammenfassung von früheren systematischen
Übersichten, also gewissermaßen um die Meta-Analyse von Meta-Analysen.
Dies fördert nicht unbedingt die Stichhaltigkeit der
Ergebnisse, denn die Schräglagen einzelner Studien übertragen sich auch auf
Meta-Analysen. Außerdem darf man wie in den klinischen Studien auch hier einen
Publikations-Bias vermuten, also die bevorzugte Publikation von Meta-Analysen
mit dem gewünschten (hier kritischen) Ergebnis. Anders als bei den klinischen
Studien gibt es kein Register, in dem Meta-Analytiker ihr Vorhaben vor Beginn
melden müssen.
Meta-Analysen können nur so gut sein, wie die Daten, auf die
sie sich stützen. Aus einem abgestandenen Brei lässt sich kein vorzügliches
Menü kreieren. Zu Recht fordern die Cochrane-Reviewer einen Zugang zu den
primären Patientendaten. Solange sie diesen nicht haben, müssen die
Meta-Analysen mit Zurückhaltung interpretiert werden.
In den letzten Jahren wurden einige Anstrengungen
unternommen, die Transparenz der Studien zu verbessern. Die Angabe der
Sponsoren ist heute üblich. Auch in den Leitlinien müssen sich die Autoren
offenbaren (mit dem erschreckenden Ergebnis, dass es vielfach keine Experten
ohne Interessenkonflikte zu geben scheint). Es werden auch Anstrengungen
unternommen, andere Verzerrungen, die sich aus der Auswahl der Patienten oder
der Verblindung ergeben, zu vermeiden. Ob dies gelingt, wird sich zeigen. Für
Meta-Analytiker wäre dies ein interessantes Forschungsgebiet - jedenfalls
interessanter als die alten Daten noch einmal aufzukochen.