Britain-Brain-Blog
Big Brother is watching you
Mittwoch, 20. Februar 2013
Wie mittlerweile recht bekannt ist London die Weltmetropole der
Videoüberwachung, des Closed Circuit Television (CCTV). Ungefähr eine halbe
Million Kameras soll es allein dort geben, im gesamten Königreich circa eine Kamera pro 14 Einwohner. Auch wenn der einzelne Arzt nicht per Videokamera überwacht wird, gibt es doch diverse Kontrollmechanismen. Angefangen mit einer vom General Medical Council (der englischen Ärztekammer) zugeordneten Nummer.
Diese „GMC-Number“ ist für jeden einsehbar und muss ständig
angegeben werden. Über diese Nummer wird alles zentral gespeichert, was es über
einen Arzt zu wissen gibt. Insbesondere natürlich auch, wenn es Beschwerden
oder „probity issues“, d.h. Bedenken bezüglich der Redlichkeit eines Arztes
gibt. Ohne GMC Nummer kann man nicht arbeiten. Und eine GMC Nummer bekommt man
nicht, ohne bei der eigenen Vorgeschichte „blank zu ziehen“. Bezugnehmend auf
diese Nummer kann sich theoretisch jeder beim GMC über einen Arzt beschweren.
Während der Ausbildung gibt es regelmäßige Reviews der
eigenen Tätigkeit und selbst im Anschluss daran gibt es neuerdings das
Schreckgespenst der „Revalidation“, eine Art „Ärzte-TÜV“ (worauf ich in Zukunft
noch einmal eingehen werde). Mit schlechter Arbeit kommt man also nicht leicht
davon, alles wird dokumentiert. Ich glaube auch nicht, dass der jüngst deutsche
Skandal um „Dr. Frankenstein“, der ja offenbar ohne gefälschte Papiere auskam
und sich einfach nicht bei den Ärztekammern anmeldete, in England möglich
gewesen wäre.
Ja, England hat einen genauen Blick auf seine Ärzte. Auch
das hat natürlich seine Geschichte, wie den „Harold-Shipman-Fall“, von dem mir
neulich ein Pfleger in diesem Zusammenhang erzählte. Nachdem sich dieser Arzt nach
vielen Jahren unbehelligter Tätigkeit als Serienmörder herausstellte, dem mehr
als 250 Morde zugeschrieben wurden, überarbeitete man das britische
Gesundheits- und Medizinrecht.
Auch wenn ich an diesen Kontrollinstanzen viele Vorteile
erkennen kann, gehen diese jedoch manchmal zu weit. Beispielsweise erklärte mir
eine Kollegin, dass sie sich bei einer Semesterarbeit nie für die anonyme
Patientenvorstellung entscheiden würde, da das ganz schnell zu „probity issues“
führen könnte. Oder wie ich ebenfalls sehr schnell feststellte, kann ich mir
Medikamente nicht so einfach wie in Deutschland mit dem Arztausweis in der
Apotheke holen.
Selbst wenn es nur um ein Antibiotikum bei einem eindeutigen
Infekt geht, kann das zu Beschwerden des Apothekers beim GMC führen, da auch
hier Redlichkeit und Indikation infrage gestellt werden können. Gute Praxis
wäre, sich das Medikament vom Hausarzt verschreiben zu lassen, was dann
wiederum in den Akten vermerkt wird, die für jeden zukünftigen Behandler oder
den Betriebsarzt jederzeit abrufbar sind. „Big brother is watching you“, so
falsch ist das nicht, auch ohne Kameras.
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