Gesundheit
Medien mit Nocebo-Effekt
Dienstag, 7. Mai 2013
Nicht nur die Lektüre der
Beipackzettel kann ängstliche Menschen krank machen. Auch Medienberichte lösen
bei empfindlichen Personen gelegentlich die Symptome aus, über die in Funk und
Fernsehen (und natürlich auch im Internet) gerade berichtet wurde. Ärzte kennen
dies. Nach Gesundheitssendungen kommt es schon einmal zu einer Häufung von
Patienten mit Schilddrüsenbeschwerden. Besonders sensibel sind die Menschen
derzeit für Umweltrisiken, beispielsweise für Gefahren, die von
elektromagnetischen Feldern ausgehen.
Wie stark die Wirkung ausfallen kann, zeigt Michael Witthöft von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in einem klassischen Nocebo-Experiment: 147 Testpersonen sahen sich zunächst einen Film zum Thema Mobilfunk- und WLAN-Signale an. Danach wurden sie in einem Experiment vermeintlichen WLAN-Signalen ausgesetzt. Allein der Versuchsaufbau zeigte eine Wirkung: 82 Probanden, also mehr als die Hälfte konnte die WLAN-Signale irgendwie spüren.
Sie berichteten über Beunruhigungen und Beklemmungen, Beeinträchtigung ihrer Konzentration oder ein Kribbeln in den Fingern, Armen, Beinen und Füßen. Zwei Teilnehmer mussten den Test sogar
vorzeitig abbrechen, weil sie die WLAN-Strahlung nicht länger ertrugen. Dabei hatten die Forscher sie gefoppt. Die WLAN-Router waren gar nicht angestellt und die Teilnehmer waren einem negativem Placebo, dem Nocebo ausgesetzt.
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Nicht nur die Kombination
Film und Experiment hatte einen Nocebo-Effekt ausgelöst. Entscheidend war, was
den Probanden präsentiert wurde. Einige Probanden hatten einen Dokumentarfilm
des Senders BBC One gesehen, in dem teilweise drastisch über die
Gesundheitsgefahren von Mobilfunk- und WLAN-Signalen berichtet wurde. Hier war
die Nocebo-Wirkung deutlich stärker als in der Kontrollgruppe, die sich einen
Bericht von BBC News über die Sicherheit von Internet- und Handy-Daten
angesehen hatten.
Der Psychologe Witthöft kann auch zeigen, dass die
Nocebo-Wirkung bei Personen mit erhöhter Ängstlichkeit am stärksten ausfällt
(Ärzte vermuten dies schon seit längerem). Abstellen lässt sich das
Medien-Nocebo allerdings nicht. Der Appell des Psychologen, die Medien möchten
doch auf allzu reißerische Berichte verzichten, dürfte angesichts der
Quotenkonkurrenz auf taube Ohren stoßen.
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