Vom Arztdasein in Amerika
Schlampige und fehlende Honorärzte
Montag, 20. Januar 2014
Seit einigen Monaten, anfangs überbrückungsweise, mittlerweile
erfahrungshalber, arbeite ich diverse Tagesschichten als Honorararzt:
Ich kann frei entscheiden, wann ich in welchem Krankenhaus oder welcher
Praxis arbeite und erhalte für jede Schicht entweder
einen Stunden- oder Tageslohn. Natürlich ist das Arbeitsangebot vor allem
auf Regionen und Krankenhäuser beschränkt, in denen ein Ärztemangel besteht; das sind entweder ländliche Gegenden, Gegenden mit hohem Minderheitenanteil oder armen Regionen. Am schlimmsten sind diejenigen Regionen betroffen, in denen mehrere oder gar all diese Faktoren zusammenkommen. Am Beispiel vom Bundesstaat Minnesota sind das z.B. die von Indianern stärker besiedelte Westgemeinden Minnesotas wie Worthington oder dünn besiedelte Nord-
und Südzonen Minnesotas wie z.B. Bemidji oder Blue Earth.
Diese Schichten sind auf ihre eigene Art und Weise spannend und herausfordernd,
aber nicht immer das Gelbe vom Ei, leider manchmal auch mit Irritationen
behaftet – vor allem die Unkollegialität vieler meiner Honorararztkollegen
ärgert mich doch sehr. Das zum Teil schlampige Niveau vieler Kollegen oder ihre
Minimalarbeitsmentalität, bei der das Ziel minimale Arbeit bei maximalem
Verdienst ist, ärgert mich sehr. Aber besonders gravierend ist es, dass
manche Honorarärzte einfach nicht zu ihren von ihnen selbst eingeteilten
Schichten erscheinen.
So erhielt ich am Verfassungstag dieses Blogtextes, einem freien Sonntag,
mittags einen Anruf einer ziemlich panischen Chefärztin – mir war schon klar,
als ich die Nummer sah, dass mal wieder einer meiner Honoararztkollegen nicht
erschienen war. Das war dann auch tatsächlich der Fall und mit nur noch halbem
Ohr wurde mir der Grund des Nichterscheinens genannt. Ich hörte
deshalb nicht zu, weil immer wieder an Schulniveau erinnernde
Ausreden wie familiäre Erkrankung, eigene schwere Erkrankung
oder PKW-Unfall vorgebracht werden, was angesichts der von mir
beobachteten Häufung unter ganz bestimmten meiner Kollegen nicht plausibel
scheint, abgesehen davon, dass ich mir Fehltage bisher noch nie gegönnt
habe.
Besonders dreist ist, wie letzte Woche geschehen, wenn die Kollegen
einfach nicht erscheinen, nicht an ihr Telefon gehen und erst zur
Mittagszeit, wenn die Visite schon fertig sein sollte, endlich davon
ausgegangen werden muss, dass der Arzt nicht erscheinen wird und panisch nach
einem Ersatz gesucht werden muss.
Mich hat man als zuverlässigen, flexiblen und hilfsbereiten Kollegen
mittlerweile erkannt und so scheine ich besonders oft, manchmal zweimal die
Woche, einen mir mittlerweile altbekannten Anruf zu erhalten: "Können Sie
bitte aushelfen? Ihr Kollege ist nicht erschienen". Ich helfe oft aus, gebe dann all meine Pläne auf, lasse alles fallen und liegen,
denn wir haben doch als Arzt eine Verantwortung, müssen den Patienten die Genesung
bieten. Schade nur, dass offensichtlichoffensichtlich nicht alle so denken.
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