Gesundheit
Hepatitisviren in Europa tödlicher als HIV
Mittwoch, 16. April 2014
In Europa sterben zehnmal mehr Menschen an den Folgen einer Virushepatitis als an Aids. Dies geht aus einer Analyse der Global Burden of Disease Study (GBD) hervor, die auf dem International Liver Congress in London vorgestellt wurde.
Während heute die meisten HIV-Infizierten in Europa rechtzeitig behandelt werden, bleiben Infektionen mit Hepatitis B oder C oft unerkannt, bis es zu einer schweren Leberzirrhose oder zum hepatozellulären Karzinom gekommen ist. Wie Laurent Castera vom Hôpital Beaujon in Paris in den Daten der GBD recherchiert hat, starben 2010 in der Europäischen Union fast 90.000 Menschen an den Folgen einer chronischen Virushepatitis. Davon entfielen 57.000 auf die Hepatitis C und 31.000 auf die Hepatitis B. Demgegenüber gab es „nur“ 8.000 Todesfälle an HIV/Aids.
Während HIV als globales Gesundheitsproblem wahrgenommen werde, seien die Hepatitiden B und C kaum in der Öffentlichkeit bekannt, beklagte der stellvertretende Leiter der European Association for the Study of the Liver (EASL), die Veranstalter des Kongresses ist. Castens forderte nicht nur mehr Aufmerksamkeit für Viruserkrankungen der Leber, es müssten auch mehr Ressourcen zur Prävention, Frühdiagnose und Therapie der Erkrankung zur Verfügung gestellt werden.
Anlass für diese Überlegungen sind neue Studienergebnisse zu direkt wirkenden Substanzen (DAA) zur Behandlung der Hepatitis C, die auf dem Kongress vorgestellt werden. Diese ermöglichen eine bessere und schnellere Therapie der Hepatitis C. Leider werden die Therapiekosten gegenüber der jetzigen Interferontherapie noch einmal deutlich ansteigen. Hinzu kommt, dass mit der höheren Effektivität auch der Druck zur Früherkennung steigt. Epidemiologische Untersuchungen zeigen, dass in Europa vermutlich 2 bis 5 Millionen Menschen HCV-positiv sind.
Ob es sinnvoll wäre, alle zu behandeln, ist eine offene Frage. Die Erkrankung führt erst nach einer langen Latenzzeit zu einer Leberschädigung. Anders als bei HIV verläuft eine unbehandelte Infektion nicht unbedingt tödlich. Zu einem sinnvollen Umgang mit den Ressourcen dürfte deshalb die richtige Auswahl der Patienten und der richtige Zeitpunkt der Therapie gehören. Angesichts der langen Latenzzeit der Infektion bis zum Auftreten irreversibler Schäden, könnte eine abwartende Haltung sich als ressourcenschonend erweisen. Nach dem Ablauf des Patentschutzes dürfte die Therapie wesentlich günstiger werden. Auch die Fülle der erwarteten DAA könnte mittelfristig die Preise senken.