Studierender Blick

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Medizin studieren im Alltag - zwischen universitärem Leben und der (Un)Gewissheit über Zukunftsperspektiven. Hormos Dafsari debattiert, was sich in den Köpfen der Zukunft abspielen mag, auch wenn es mal herkömmlicher Natur ist.

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Studierender Blick

Gravitas

Mittwoch, 3. September 2014

Wohin gehen unsere Studierenden? Wie kann man sie schon möglichst früh für ein Fach begeistern? Auf solche und ähnliche Fragen bin ich schon einige Male eingegangen, doch habe ich die Kausalitätskette bislang noch nicht an ihrem wahren Ursprung besprochen: Wann weiß der Studierende, für welches Fach er sich interessiert?

Für jeden angehenden Arzt gibt es dieses eine Fach, welches schon immer eine gewisse Anziehungskraft auf ihn ausgeübt hat. Er mag darin exzessiv famuliert haben oder seine Promotion darin begonnen haben. Das Fach mag aber auch an ihm vorbei gehuscht sein, während er aufmerksam mit anderen Themen beschäftigt war.

Doch irgendwas muss den Studierenden begeistern, sonst studiert er keine sechs Jahre. Es ist zumeist ein unbewusste Tatsache, beispielsweise das Entlassungsgespräch mit der Seniorin nach einer Hüft-TEP-OP oder die Faszination an so selbstverständlichen naturwissenschaftlichen Phänomenen der Elektrophysiologie oder eines Stoffwechselsystems.

Was ich jedoch in einigen Gesichtern angehender Ärzten erkenne, ist eine gewisse Unsicherheit. Dieses Gefühl ist ein Relikt der sich findenden Persönlichkeit, vielleicht bedingt durch die Antizipation einer anstehenden Erneuerung der Umstände nach dem Studium. Am stärksten sehe ich diese Unsicherheit im praktischen Jahr, „wenn es ernst wird".

Diese plötzliche Konfrontation mit einer vollständig intakten Arbeitsumwelt, in welcher der Studierende zwecks fehlender Erfahrung keine überdurchschnittliche Funktion ausüben kann, ist befremdlich für ihn. Die wenigsten Studierenden können darauf eine Antwort finden, welche ihnen den Drive gibt, Funktionen zunehmend zu übernehmen und jede Sekunde dieser klinischen Erfahrung zählen zu lassen.

Doch wenn sie sich überwinden, so verspüren sie eine auflodernde Leidenschaft - eben jene, die sie in der ersten Vorlesungsstunde des Fachs oder am ersten Tag der Famulatur empfunden haben. Es ist ein Gefühl der Klarheit, als wisse man schon immer, in welche Fachrichtung der ärztliche Beruf gehe, auch wenn die Überzeugung erst jüngst gefunden wurde.

Einige Glückliche haben diese Wegweisung schon früh erlebt und sie durch Famulaturen vertieft, andere verspüren sie erst weit nach dem praktischen Jahr. Doch ich bin sehr zuversichtlich, dass sie irgendwann jeden trifft. Bis dahin gilt es bunt und breit Erfahrungen zu sammeln, in so vielen Fächern wie möglich Praktika zu erleben und zu keinem Zeitpunkt die Zuversicht zu verlieren: der erste Blick reduziert jedes Fach auf Stereotypen, doch der zweite und dritte Blick lassen das Leben dahinter erkennen - die Eigenarten und Ironien, der Humor und die Leidenschaft im Alltag und letztlich den Spaß an der Sache.

Kommentare

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Avatar #103205
Patroklos
am Donnerstag, 4. September 2014, 10:51

Poesie.

Das ist fast schon Poesie. Schön wäre diese Art der "Berufung"!
Der Alltag sieht leider oft ganz anders aus und zwingt viele zu eher pragmatischeren Entscheidungen bezüglich des Berufsweges.
LNS

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