Gesundheit
Chronisches Erschöpfungssyndrom erhält neuen Namen
Freitag, 13. Februar 2015
Patienten mit unklaren Beschwerden, denen keine erkennbare Pathologie zugrunde liegt und die durch keinen Test oder Laborwert objektivierbar sind, begegnen Ärzten häufiger. Doch keine dieser oft als funktionell bezeichneten Störungen, die zu psychosomatischen Erklärungsversuchen reizen, ist so wenig fassbar wie das chronische Erschöpfungssyndrom.
Die Patienten klagen, häufig in zeitlichem Zusammenhang mit einem grippalen Infekt über einen Verlust der Lebenskräfte, der sie auf Dauer daran hindert, ihren vorher beruflichen, sozialen und persönlichen Aktivitäten nachzugehen. Die Patienten fühlen sich, wahrscheinlich nicht zu Unrecht, missverstanden und diffamiert. Viele sind davon überzeugt, dass es sich um eine organische und keineswegs um eine psychosomatische Erkrankung handelt.
Schon der Begriff chronisches Erschöpfungssyndrom ist umstritten. Viele Patienten bevorzugen die Bezeichnung Myalgische Enzephalomyelitis. Sie verweist auf eine organische Ursache in Muskulatur und Gehirn, für die es aber keine sicheren Belege gibt. Nicht alle Patienten klagen über Muskelschmerzen und entzündliche Hirnveränderungen sind nicht belegt. Das Institute of Medicine (IOM) schlägt jetzt als neue Bezeichnung „systemic exertion intolerance disease” (SEID) vor, was man als Erkrankung mit systemischer Anstrengungsintoleranz oder -schwäche übersetzen könnte.
Das IOM hat im Auftrag des amerikanischen Gesundheitswesens mehr als 9.000 wissenschaftliche Arbeiten ausgewertet. Das Ergebnis ist neben der neuen Bezeichnung eine vereinfachte Definition der Erkrankung. Als Leitsymptome werden neben der substantiellen Einschränkung im Alltagsleben eine Kränklichkeit nach Anstrengungen („post-exertional malaise“) und ein nicht erholsamer Schlaf („unrefreshing sleep“) genannt.
Um die Diagnose stellen zu können, müssen als Nebenkriterium kognitive Einschränkungen oder orthostatische Störungen hinzukommen. Außerdem sollten die Symptome über mindestens sechs Monate bestehen. Die Bezeichnungen „chronic fatigue" oder “neurasthenia” sollen künftig vermieden werden, rät das IOM, das darauf drängt die neue Definition in die International Classification of Diseases (ICD-10) aufzunehmen.
Auch wenn sich gegenüber der New York Times mehrere Experten noch skeptisch äußerten, scheint die Resonanz überwiegend positiv zu sein. Theodore Ganiats von der Miller School of Medicine in Miami, Florida, meinte in den Annals of Internal Medicine zwar, dass ein neuer Name noch nicht das Leben der betroffenen Menschen verbessere, das IOS habe aber genügend Beweise zusammengetragen, die zeigen, dass das SEID eine Erkrankung mit einer physiologischen Grundlage sei und nicht einfach nur ein psychologisches Problem, das nicht ernst genommen werden müsse.
Auch Ellen Wright Clayton von der Vanderbilt University in Nashville ist im US-amerikanischen Ärzteblatt überzeugt, dass das SEID eine echte Krankheit ist und dass die Patienten, die zu lange zu wenig Aufmerksamkeit von Seiten der Forschung und der klinischen Einrichtungen erhalten haben, etwas Besseres verdienen. Die Patientenorganisation Solve ME/CFS betrachtet den Bericht als wichtigen Schritt nach vorn, der die Grundlage für eine Verbesserung von Diagnose und Behandlung der Erkrankung schaffe.
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