Res medica, res publica

Res medica, res publica

Gesundheit ist eine öffentliche Sache. Das war schon 1907 so, als William Ewart seine Antrittsvorlesung am St. George's Hospital in London unter den Titel "Res medica, res publica" stellte. Wo muss der Staat handeln und wie? Was bedeuten gesundheitspolitische Vorschläge, wenn man sie zu Ende denkt? Gedanken dazu von Heinz Stüwe, Fachjournalist für Wirtschaft, Sozial- und Gesundheitspolitik.

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Res medica, res publica

Im Hafen von Jakarta

Montag, 30. März 2015

Eine Szene im Hafen von Jakarta: Arbeiter balancieren barfuß über einen schmalen Holzbalken zwischen Kaimauer und einem Frachter hin und her, auf dem Rücken zentnerschwere Säcke mit Getreide und Reis für die indonesische Millionenmetropole. Das war 1993. Ob sich die Arbeitsbedingungen dieser Hafenarbeiter zwei Jahrzehnte später verbessert haben, ob sie beispielsweise gegen Arbeitsunfälle versichert sind, ist dem Autor nicht bekannt.

Die Erfahrung lehrt, dass es oft erst zu einer Katastrophe kommen muss, bevor gehan­delt wird: Als vor drei Jahren die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch einstürzte und 1130 Menschen starben, war das ein Schock. Er schlug in Empörung um, als klar wurde, dass die dort unter skandalösen Bedingungen hergestellte Kleidung auch in Deutsch­land in den Verkaufsregalen landete, und zwar bei den Sonderangeboten zu Tiefstpreisen. Die Katastrophe warf ein Schlaglicht auf menschenunwürdige Arbeit in den ärmsten Ländern der Welt.

Man kann es Angela Merkel abnehmen, dass es ihr ein persönliches Anliegen ist, etwas gegen diese Missstände zu tun. Die Bundesregierung will die diesjährige deutsche Präsidentschaft im Kreis der sieben führenden Industriestaaten (G 7) dazu nutzen, die Lage der betroffenen Menschen zu verbessern. Alle 15 Sekunden stirbt weltweit ein Mensch an den Folgen von Berufskrankheiten oder Arbeitsunfällen. Kinderarbeit ist leider in manchen Ländern immer noch an der Tagesordnung.

Merkel wollte mit ihrem Auftritt beim G7-Dialogforum der Gewerkschaften unterstreichen, wie wichtig ihr das Thema „Gute Arbeit weltweit“ ist. Zum Beispiel soll von Unternehmen und Organisationen in den Industriestaaten Geld in einem Fonds („Vision Zero Fund“) gesammelt werden, um Unfallversicherungen aufzubauen und Brandschutzinspektoren auszubilden. Leider war für diese Inititiative  angesichts der griechischen Finanzkrise und des furchtbaren Flugzeugabsturzes in den Medien kein Platz.

Globale Sozialstandards gegen Zwangsarbeit, gegen Kinderarbeit, gegen Diskrimi­nierung, zum Schutz vor Gesundheitsgefahren am Arbeitsplatz und auch zur Einräumung von Gewerkschaftsrechten gibt es längst – im Rahmen der Internationalen Arbeitsor­ganisation (ILO). 185 Mitgliedsstaaten haben sich dazu bekannt. Die Industriestaaten der G 7 werden sich ohne großen Streit auf flammende Appelle einigen können, diese Standards auch einzuhalten.

Was die eigentlichen Adressaten - Unternehmer und Politiker in Indien, Pakistan und anderswo ­- auf diese Mahnung antworten werden, kann man sich vorstellen: Angela Merkel, deren Land gerade einen Rekordüberschuss im Außenhandel erzielte, habe gut reden. Jede Arbeitsschutzmaßnahme, jede Sozialleistung mindert den Kostenvorteil, der die wenig entwickelten Länder überhaupt als Produktionsstandort interessant macht.

Das Umdenken lässt sich auf andere Weise beschleunigen – wenn nämlich die Auftraggeber der billigen T-Shirt-Fertigung, die in den Industrieländern sitzen, um den Absatz ihrer Produkte fürchten müssen. Die Verbraucher, die das Endprodukt aus Südasien in Deutschland kaufen oder eben nicht, haben die Macht, schneller etwas zu verändern als internationale Konferenzen. Es gibt schon Siegel, die vorbildliche Rohstoffgewinnung und/oder faire Produktion attestieren. Wenn dann noch Aussagekraft und Qualität dieser Siegel für die Verbraucher transparent gemacht werden, wäre viel gewonnen.

LNS
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