Res medica, res publica
Cannabis: Keineswegs harmlos
Montag, 18. Mai 2015
Erst die Grünen und die Linken, dann ein einzelner CDU-Abgeordneter, und nun tatsächlich die FDP, als Knalleffekt beschlossen am Wochenende zum Ende ihres Parteitags: Wer modern sein will, so scheint es, muss die Freigabe des Cannabis-Konsums fordern. Die Autoren des heute in Berlin veröffentlichten „Alternativen Drogen- und Suchtberichts“ leisten argumentative Schützenhilfe. Sie weisen zu Recht auf Unzulänglichkeiten und Widersprüche der Drogenpolitik hin. Aber die 32 Autoren – unter ihnen nur zwei Ärzte und ein Pharmazeut – zeichnen ein unvollständiges Bild.
Denn einige Fakten sollten nicht vergessen werden. Marihuana und Haschisch sind keineswegs harmlos, wie die im kürzlich im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichte Übersichtsarbeit belegt: Fast zehn Prozent aller Konsumenten werden abhängig. Wenn sie schon als Jugendliche zum Joint greifen, sind es sogar 17 Prozent. Jugendliche sind besonders gefährdet. Bei frühem Beginn des Cannabis-Konsums erhöht sich das Risiko für gesundheitliche Folgeschäden wie Angststörungen, Psychosen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Deshalb ist der Befund, dass von hundert Jugendlichen ein bis zwei regelmäßig Cannabis konsumieren, besorgniserregend. Und die Tatsache, dass durch Züchtung der Gehalt an THC, der psychotropen Hauptsubstanz, in Cannabis in den vergangenen Jahren weltweit angestiegen ist, vermag auch nicht zu beruhigen.
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Wenn Menschen erstmalig eine Suchttherapie benötigen, ist in den meisten Fällen Cannabiskonsum der Grund. Deshalb gilt Cannabis als Einstiegsdroge. Ob durch eine Freigabe die Prävention wirklich erleichtert würde, also mehr Menschen vom Drogenkonsum abgehalten werden könnten, ist sehr die Frage. Diese heile Drogenwelt gibt es nicht. Viel spricht dafür, dass Cannabis auch für Jugendliche leichter verfügbar würde, wenn es, wie die Grünen vorschlagen, in „Fachgeschäften“ an Erwachsene verkauft und dann auch noch der Eigenanbau von drei Hanfpflanzen erlaubt würde.
Es gibt Schwerkranke, die Cannabis als Medikament zur Schmerzlinderung benötigen. Heute ist dazu eine Ausnahmeerlaubnis erforderlich, die derzeit weniger als 400 Patienten erteilt wurde. Das muss dringend geändert werden. Noch in diesem Jahr soll gesetzlich geregelt werden, dass die Krankenkassen cannabinoidhaltige Arzneimittel erstatten. Darüber hinaus lehnt Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die Cannabis-Freigabe aus guten Gründen ab. Die Parteien sollten sich andere Gebiete suchen, wenn sie demonstrieren wollen, wie modern sie sind.
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