Res medica, res publica
Die Gesundheitskanzlerin
Freitag, 5. Juni 2015
Ob sich die Protestcamps vor bilderbuchtauglicher Alpenkulisse, die seit Tagen die Nachrichtensendungen füllen, auch gegen eine bessere weltweite Bekämpfung von Infektionskrankheiten richten? Bundeskanzlerin Angela Merkel hat als Gastgeberin auf Schloss Elmau dafür gesorgt, dass sich Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industriestaaten (G7) mit Gesundheit befassen. Ein ungewöhnliches Thema, schließlich wurden diese Treffen einst als Weltwirtschaftsgipfel ins Leben gerufen. Und an militärischen und ökonomischen Krisen in der Welt, über die gesprochen werden muss, mangelt es ja nicht. Aber es ist eine gute Themenwahl. Der Ebola-Ausbruch in Westafrika vor einem Jahr hat – wieder einmal – die Defizite offengelegt, die in der internationalen Hilfe für Länder bestehen, die auf sich allein gestellt den Kampf gegen derartige Epidemien nicht gewinnen können.
Aber auf dem bayerischen Gipfel soll es nicht nur um Katastrophenhilfe gehen. Den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen hat die Kanzlerin, auch auf Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, zu einem Schwerpunktthema gemacht. Ob alle Katastrophenszenarien auf diesem Gebiet realistisch sind – in einer neuen Studie werden für 2050 weltweit zehn Millionen Todesfälle durch resistente Keime prognostiziert – mag dahingestellt bleiben. Sicher ist, dass Fortschritte internationale Zusammenarbeit erfordern.
Erstmals überhaupt hat mit Angela Merkel ein deutscher Regierungschef im Mai an der Versammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf teilgenommen. Sie hat sich dort gemeinsam mit Gröhe für die Verabschiedung des „Globalen Aktionsplans zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen“ eingesetzt. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich darin, innerhalb von zwei Jahren nationale Strategien in Kraft zu setzten, um die international vereinbarten Ziele anzusteuern, von Aufklärung und Verdeutlichung des Problems der Antibiotikaresistenzen über optimierten Einsatz von Antibiotika in Human- wie Tiermedizin und verbesserter Überwachung bis hin zu verstärkter Forschung.
Ob die Entwicklung dringend benötigter neuer Antibiotika wirklich internationale Fördertöpfe erfordert, wie die Pharmaindustrie meint? Wenn der Gipfel es nicht mit wohlklingenden Absichtserklärungen bewenden lässt, könnte aus der Klimakanzlerin tatsächlich noch die Gesundheitskanzlerin Angela Merkel werden. Schirmherrin des World Health Summit in Berlin ist sie ja schon seit Jahren.
Die Bundesregierung will auf jeden Fall vorbildlich sein. Sie hat ihre Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie aus dem Jahr 2008 inzwischen aktualisiert. Aber der Kabinettsbeschluss ändert nicht die Realität: Ist der gewohnheitsmäßige Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung beendet? Und der Kampf gegen Krankenhausinfektionen?
Die Bundesärztekammer weist darauf hin, dass Lehrstühle für Krankenhaushygiene fehlen, um genügend Ärztinnen und Ärzte auf diesem Gebiet zu qualifizieren. Und wie ist es um den Wissensstand zu dem Thema in der Bevölkerung bestellt? Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat gerade ein neues Plakat mit allgemeinverständlichen Hinweisen zur Antibiotika-Einnahme herausgebracht. Es würde gewiss nicht schaden, wenn es in jedem Wartezimmer aushinge.
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