Res medica, res publica
Die SPD distanziert sich von der Currywurst
Mittwoch, 5. August 2015
Gerhard Schröder zu seinen besten Zeiten hat sie salonfähig gemacht. Nachdem der Kanzler freimütig über seine Vorliebe für Currywurst geplaudert hatte, tauchte sie sogar auf dem ansonsten anspruchsvolleren Speiseplan des Bundespresseballs auf. In der Imagepflege für das scharfe Imbissbudengericht ließ sich die SPD auch nicht stoppen, als in Berlin schon längst Angela Merkel regierte. Vor drei Jahren plakatierten die Sozialdemokraten im Landtagswahlkampf von Nordrhein-Westfalen „Currywurst ist SPD“. Das sollte ihre Volksnähe unterstreichen – und war erfolgreich: Hannelore Kraft durfte weiterregieren.
Dennoch distanzieren sich die Sozialdemokraten nun vorsichtig von der Wurst, wenngleich sie es geschickter Weise positiv ausdrücken: „Wir können mehr als Currywurst“ lautete der Titel einer Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion zur gesunden Ernährung Anfang des Monats im Reichstagsgebäude. Niemand soll auf die Idee kommen, die Sozialdemokraten wollten ihren Mitgliedern und Wählern den Gang an die Kirmes-Wurstbude verbieten.
„Was Sie essen, geht uns nichts an“, stellte Christine Lambrecht, Erste parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, eingangs klar. Vielmehr wolle man zu einem gesunden Lebensstil motivieren. Die Ganztagsschulen böten einen guten Rahmen, um sicherzustellen, dass sich Kinder ausgewogen ernährten und ausreichend bewegten, sagte die SPD-Abgeordnete Jeannine Pflugradt. Vor allem eines ist der SPD wichtig: Eine ausgewogene und gesunde Ernährung dürfe keine Frage des Geldbeutels sein.
Genau das ist sie aber heute, wie Hans Konrad Biesalski, Direktor des Food Security Centers an der Universität Hohenheim, herausstellte. Der Hartz-IV-Satz reiche nicht aus, um ein Kind gesund zu ernähren. „Deshalb sind arme Kinder dreimal häufiger übergewichtig als andere“. Sie erhielten oft billige Lebensmittel mit viel Fett, aber zu wenigen Mikronährstoffen. Der Arzt, einziger Wissenschaftler unter den Referenten der Veranstaltung, wies auch auf die Folgen von Mangelernährung in den ersten beiden Lebensjahren hin: Die Kinder seien zu klein und in ihrer kognitiven Entwicklung gehemmt.
Wesentliche politische Forderungen, die zur Sprache kamen, finden sich in dem Entschließungsantrag der großen Koalition „Gesunde Ernährung stärken – Lebensmittel wertschätzen“, den der Bundestag schon Mitte Juni beschlossen hat. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, die Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) als einheitliche Mindeststandards für die Verpflegung in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und öffentlichen Kantinen einzuführen und auch in den Ausschreibungen für das Essen an Schulen und Kindertagesstätten zu verankern. Gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft und dem Handel soll eine Strategie zur Reduktion von Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten erarbeitet werden.
Die SPD will sich darüber hinaus weiter für bessere Verbraucherhinweise zum Inhalt von Lebensmitteln einsetzen, zum Beispiel in Form einer Nährwert-Ampel. Der Inhalt von Bratwürsten wurde im Einzelnen nicht erörtert. War es persönliches Bekenntnis oder stand es nur in dem eigentlich für den Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann vorbereiteten Manuskript? Jedenfalls sagte Christine Lambrecht, auch für sie müsse es ab und zu Currywurst sein. Die stehe für Bodenständigkeit und Bürgernähe. „Deshalb bleiben wir der Currywurst treu.“