Vom Arztdasein in Amerika
Impfzwang
Donnerstag, 17. September 2015
In Anlehnung an den in Frankreich bis ins 19. Jahrhundert stattfindenden Königsproklamationsspruch „le roi est mort, vive le roi“ („Der König ist tot, lang lebe der König“, ausgerufen um die Kontinuität der Erbmonarchie aufzuzeigen) proklamiere ich hiermit offiziell: „Die Grippesaison ist vorüber, lange lebe die (nächste) Grippesaison“, bzw. „l´influenza est morte, vive l´influenza“!
Denn dieser Spruch scheint die Stimmung, die mich angesichts all der Informationen, die mir seitens US-Krankenhäuser jedes Jahr im Herbst zugestellt wird, wiederzugeben. Jedes Jahr wird zu diesem Thema das Rad scheinbar neu erfunden und sogenannte „neue“ Grippekampagnen und –initiativen werden ausgerufen; pünktlich zum baldigen Herbstbeginn erhalte ich deshalb auch derzeit unzählige Rundschreiben zu diesem Thema.
Doch der Tonfall verschärft sich von Jahr zu Jahr: Empfahl man mit höflichen Worten noch vor wenigen Jahren die Grippeimpfung, so ging man dazu über, sie seit vorletztem Jahr als dringend benötigte Impfung jedem einzelnen Arzt und Krankenpflegekraft in regelmäßigen Abständen mit den deutlichsten Worten nahezulegen und ist seit diesem Jahr dazu übergegangen von einem „Zwang“ zu reden.
Es besteht dabei eine Impfpflicht nicht nur für Ärzte, sondern für alle mit Patienten in Kontakt kommende Angestellte, also auch Krankenpflegekräfte, Pflegeassistenten und Physiotherapeuten. Seit diesem Jahr werden Listen geführt auf denen vermerkt wird, wer seine Impfung erhalten und wer sie nicht erhalten hat; diese Informationen werden an die jeweiligen Abteilungsleiter und Vorgesetzte weitergereicht und es wird beabsichtigt, diejenigen Angestellte, die noch keine Impfung erhalten haben, direkt anzusprechen und –schreiben. Man kann die Impfung zwar ablehnen, muss das aber begründen und ggf. dann in einem Gespräch mit einem Vorgesetzten rechtfertigen.
Natürlich ist eine Influenzaimpfung sinnvoll und vielfältige Studien werden zu diesem Thema als Begründung für den Impfzwang in den jeweiligen Rundschreiben angeführt, aber bei genauer Sichtung stellt man fest, dass der Nutzen nicht so deutlich wie bei vielen anderen Impfungen ist. Natürlich werde ich mich impfen lassen, aber was mir Sorge bereitet ist diese allmähliche Verschärfung des Tones gegenüber den Angestellten. Was erwartet uns 2016 oder gar 2017 wenn „l´influenza est morte, vive l´influenza“ wieder ausgerufen wird?
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