Res medica, res publica
Mama Merkel
Donnerstag, 22. Oktober 2015
Sie gehören zu den Bildern dieses Herbstes, die im Gedächtnis bleiben werden: Flüchtlinge, die Plakate hochhalten mit Aufschriften wie „Merkel, please help me!“ und „Danke Frau Merkel“. Sie haben das Bild der Bundeskanzlerin im Ausland verändert. War sie im Sommer noch die unnachgiebige Sparkommissarin, die die Griechen ins Elend stürzte, ist nun „Mama Merkel“ mit einem weiten Herz für Flüchtlinge.
Von geschmacklosen Plakaten und abstoßenden Aufrufen zur Gewalt auf Pegida-Demonstrationen soll hier nicht die Rede sein. Wohl aber von der Zerrissenheit der Partei der Kanzlerin. Nicht nur einzelne CDU-Parteifreunde, die in Gemeinden und Landkreisen Verantwortung tragen und nicht wissen, wie sie den Zustrom von Flüchtlingen bewältigen sollen, fordern inzwischen ein öffentliches Signal Merkels gegen einen weiteren Zustrom von Flüchtlingen. Merkel aber hat deutlich gemacht, dass eine Aussperrung der Flüchtlinge aus Kriegsgebieten ihrer Überzeugung widersprechen würde. Manchmal wird vergessen, dass die erfolgreiche Pragmatikerin und Machtpolitikerin Merkel sich von christlichen Grundüberzeugungen leiten lässt.
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Die trägt sie nicht die Öffentlichkeit. Sie konzentriert sich lieber auf konkrete Politik, zum Beispiel auf Maßnahmen zur Unterstützung der Türkei, die zwei Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat. Aber der demonstrative Beifall für die Kanzlerin aus der eigenen Fraktion im Bundestag in der vergangenen Woche kann nicht darüber hinwegtäuschen: Das Flüchtlingsthema hat das Potenzial, sich zu einer innenpolitischen Krise zu entwickeln, die Merkel ihr Amt kosten könnte. Ruhe und Ordnung, die Gewährleistung der inneren Sicherheit, ein den Vorschriften entsprechendes Verwaltungshandeln gehören zum Markenkern der CDU. Wenn CDU-Mandatsträger tatsächlich der Meinung sind, die Bundeskanzlerin stelle all dies mit ihrer Politik infrage, sie vernachlässige gar ihre Amtspflichten, ist das keine Lappalie.
Im völligen Gegensatz dazu stehen die Lobeshymnen für Merkel auf internationaler Bühne. Erst kürzlich lobte Margaret Chan, die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation WHO, in Berlin nicht nur die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Dank Merkel habe die internationale Staatengemeinschaft die notwendigen Lehren aus der Ebola-Epidemie, Maßnahmen gegen Antibiotika-Resistenzen und die Bekämpfung von vernachlässigten Tropenkrankheiten auf die Tagesordnung gesetzt. Die von Angela Merkel beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau initiierten Gespräche der Staats- und Regierungschefs haben nach Chans Überzeugung schon jetzt viel bewirkt.
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