Vom Arztdasein in Amerika
Wo gibt es noch Bücher?
Mittwoch, 16. Dezember 2015
Seit einiger Zeit versuche ich so wenig wie möglich das Internet und digitale Geräte zu nutzen. Hintergrund sind all die vor allem in letzter Zeit veröffentlichten Studien, die einen schlechten Einfluß auf die Psyche und Physis des Menschen aufzeigen und die Berichte über Millionen von Internet- und Smartphoneabhängigen, über Konzentrations- und Schlafstörungen, Gewichtsprobleme und gestörte Kommunikationsinteraktionen zwischen Menschen als Folge dieser digitalen Werkzeuge.
Mir selber fällt diese Umstellung unglaublich schwer, und ich merke zum Teil Entzugssymptome: Ich suche nach Ausreden wieso ich „gerade jetzt“ im Internet nach etwas Bestimmtem suchen muss, klicke während der Visitendokumentation unbewusst auf das Google-Chrome-Symbol und bin im Internet oder spüre eine Art Glücksgefühl, wenn ich eine Textnachricht erhalte und auf mein Mobiltelefon schauen „darf“.
Allmählich gelingt die Entwöhnung und ich kann mich Stück um Stück von einer exzessiven Digitalisierung befreien. Ich habe von einem internetfähigen Smartphone auf ein ausschließlich als Telefonwerkzeug zu nutzendes Mobiltelefon umgestellt, trage wieder eine Armbanduhr und lese Zeitungen und Bücher im Papierformat. Ich bin bei dieser Umstellung übrigens erstaunt wieviel Freizeit ich nun habe, wie viel mehr Sport ich treibe, ja, meine sogar mich ausgeglichener zu fühlen.
Doch es wird mir auch bewusst wie sich die Umwelt in den letzten zehn Jahren verändert hat. Manche Arbeitskollegen und Krankenhäuser haben zum Beispiel kein Verständnis wenn ich ihnen mitteile, daß ich kein Mobiltelefon habe und entsprechend nicht dauerhaft erreichbar bin (weil ich mein Mobiltelefon wie einen Festnetzanschluss fast nur zu Hause lasse) oder daß es mich manchmal bis zu eine Woche dauert ehe ich elektronische Nachrichten beantworte.
Die Infrastruktur hat sich auch im Rahmen dieser zunehmenden Digitalisierung verändert; derzeit bin ich einmal wieder in einer ländlichen Region im Südwesten von Minnesota. Obowhl ich in einer mittelgroßen Stadt von knapp 12.000 Einwohnern bin, mußte ich konstatieren, wie es hier vor Ort keinen Buchladen mehr gibt als mir jüngst meine (Papier-)Bücher ausgingen.
Bei meiner Recherche stellte ich erstaunt fest, dass es nicht nur vor Ort keinen Buchladen mehr gibt, sondern im ganzen näheren Umkreis keinen, daß ich 100 km fahren müßte, in den Nachbarbundesstaat, um ein adäquates Buchsortiment vorzufinden. Das also ist das Jahr 2015: Die Buchläden sterben aus und vieles wird erzwungenermaßen elektronisch. Irgendwie macht mich das traurig.