Pflegers Schach med.
Eine Handvoll Leben
Donnerstag, 7. Januar 2016
Willkommen, liebe schachspielenden Ärzte, aber auch all jene, die sich ein erfülltes Leben ohne ärztliche Approbation vorstellen können. Allerdings nur schwerlich ohne Schach. Für diese gilt analog die Bemerkung von Loriot: „Ein Leben ohne Mops ist zwar möglich, aber sinnlos.“
Fast 23 Jahre erschien diese Spalte monatlich in der Druckausgabe des Deutschen Ärzteblatts und umrahmte in gewisser Beziehung die bisherigen 23 „Deutschen Ärzteschachturniere“ ( das nächste findet übrigens wieder in Bad Neuenahr vom 22.–24. April 2016 statt), doch tempora mutantur, und so werde ich künftig eben in diesem Blog versuchen, mindestens einmal monatlich und wohl auch zwischendurch mir Erwähnenswertes mitzuteilen, wobei natürlich wie bislang die (Schach-) Taten der Ärzte im Vordergrund stehen.
Dachte ich vor 23 Jahren noch, dass Ärzte sehr wohl eine besondere Affinität zur Musik, hingegen im Gegensatz zu Mathematikern und Juristen eine deutlich geringere zum Schach hätten, so haben mich diese Jahre eines Besseren belehrt. Zufällig erfuhr ich beim letzten Ärzteschachturnier vom Lübecker Humangenetiker Prof. Dr. Eberhard Schwinger, dass im Gegensatz zur Maus mit ihren 33.000 Genen der Mensch ihrer nur ungefähr 28.000 habe. Irgendwie überraschend. Was man doch unverhofft alles lernen kann! Doch mag die Maus also in gewisser Weise "quantitativ" auf uns hinab blicken können, so fehlt ihr doch unzweifelhaft ein Schachgen.
Solche Weisheiten werden einem schon in aller Herrgottsfrühe beim Schwimmen vor den Schachrunden zuteil, wo sich auch der Leiter der Heidelberger Kinderherzchirurgie, Prof. Dr. Tsvetomir Loukanov, dazugesellt, nachdem er vorher schon neun km entlang der Ahr gejoggt war. Offenbar hat er, der sich mit der Arbeit „Eine Handvoll Leben“ habilitiert hat, viel Energie. Die konnte er auch brauchen, als er notfallmäßig an einem Abend alle drei frühgeborenen Drillingsmädchen, die inzwischen prächtig gediehen sind, an ihren kongenitalen Herzdefekten operierte. Das erinnert mich an den Münchner Kinderherzchirurgen Prof. Dr. Heinrich Netz, der 1988 erstmals einem Neugeborenen in schier aussichtsloser Lage ein Spenderherz - so groß oder besser so klein wie eine Pflaume - transplantierte. Das todgeweihte Baby von damals ist heute ein junger Mann von 27 Jahren und Bayern-Fan, las ich kürzlich in der Süddeutschen Zeitung.
Doch Prof. Loukanov kann nicht nur „Handvoll Leben“ operieren, sondern auch sehr gut Schach spielen – stets gehört er bei den Ärzteturnieren zu den Besten.
Diese Stellung hatte er als Weißer gegen Dr. med. Alexandro Paschos, beide waren in großer Zeitnot, sodass Entscheidungen schnell getroffen werden mussten. Offensichtlich ist der weiße Springer dem schwarzen Läufer, der hinter seinen eigenen Bauern eingesperrt ist, hochüberlegen, andererseits ist die weiße Königsstellung offen wie ein Scheunentor.
Dazu drei Fragen:
- Wie hätte Weiß am Zug klar gewinnen können?
- Wie hätte Schwarz nach dem gespielten 1.Dd8 remis halten können?
- Wie konnte Prof. Loukanov nach 1.Dd8 Ta3 gewinnen?
Lösung zeigen
- Weiß konnte mit dem Springeropfer 1.Sxe6+! gewinnen, weil bei der Opferannahme 1...Lxe6 2.Tb7+ die Dame gewinnt. Andererseits ist nach 1...Kg6 2.Dxa7 Txa7 3.Sg5 das Endspiel hoffnungslos.
- Nach 1.Dd8 konnte Schwarz mit 1...Ta1! remisieren, weil es nach 2.Txa1 Dxa1+ zum ewigen Schach kommt, auch 2.Df6+ Kg8 nicht weiterhilft und 2.Db8? Dxb8! wegen der Fesselung des Turms b1 gar ein Riesenreinfall wäre.
- Nach 1.Dd8 Ta3 hingegen konnte Weiß mit 2.Df6+ Kg8 und jetzt dem Turmopfer 3.Tb8+! Dxb8 4.Dxf7+ Kh8 5.Dh7 mattsetzen.
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