Global Health
Zugang zu medizinischer Notfallversorgung in Subsahara-Afrika
Dienstag, 13. Februar 2018
Wenn es uns schlecht geht oder wir krank werden, gehen wir zum Hausarzt. Ist es dringend und haben wir Schmerzen auch außerhalb der Öffnungszeiten der Praxis unseres Hausarztes, gehen wir in eine Notfallpraxis oder wir rufen den hausärztlichen Notdienst, der uns in dringenden Fällen auch nachts zu einem Hausbesuch aufsuchen wird. Bei Unfällen oder anderen dringlichen Notfällen stehen uns die Notaufnahmen der Krankenhäuser rund um die Uhr zur Verfügung. Wenn wir nicht in der Lage sind, selbst dorthin zu gelangen oder wenn es besonders dringend ist, bringt uns der Rettungsdienst im Rettungswagen, begleitet von Rettungs- oder Notfallsanitätern, in schwerwiegenden Fällen auch von einem Notarzt, schnellstmöglich ins Krankenhaus.
Wir haben uns so sehr an dieses System der umfassenden Versorgung gewöhnt, dass es den meisten von uns schwerfällt, sich vorzustellen, auf welch hohem Niveau diese Versorgung liegt. In nicht vielen Ländern der Welt wird eine Notfallversorgung auf diesem Niveau vorgehalten. Sicher, unser Gesundheitssystem ist im internationalen Vergleich eines der teuersten. Nach Angaben der OECD betrugen im Jahr 2016 die Ausgaben für das Gesundheitssystem in Deutschland 11,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Im internationalen Vergleich lag Deutschland damit an dritter Stelle, nur übertroffen von der Schweiz (12,4 Prozent des BIP) und den USA (17,2 Prozent des BIP).
Nicht nur in vielen EU-Staaten ist der Zugang zur medizinischen Notfall- und Akutversorgung weniger leicht und weniger gut ausgebaut, gerade in ärmeren Ländern ist dieser Zugang häufig stark eingeschränkt oder gar großen Bevölkerungsgruppen ganz verwehrt. In einer umfassenden Studie hat nun ein kenianisch-britisches Wissenschaftlerteam den Zugang zur öffentlichen medizinischen Notfallversorgung in Afrika südlich der Sahara untersucht (The Lancet 2018; doi: 10.1016/S2214-109X(17)30488-6).
Das abschnittsweise ernüchternde Ergebnis ist sicher wenig überraschend, jedoch sind die hier dokumentieren Erschwernisse und Hindernisse im Zugang zur medizinischen Notfallversorgung in einigen afrikanischen Ländern erschütternd. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang zu sehen, dass gerade in vielen Ländern niedriger und mittlerer Einkommen der Bedarf an dieser Versorgung besonders groß ist. So ist beispielsweise die Todesrate infolge von Verkehrsunfällen oder durch Gewaltverbrechen in den Ländern Afrikas südlich der Sahara mehr als doppelt so hoch wie in Ländern hoher Einkommen.
Während im Jahr 2015 von einer Lancet-Kommission vorgeschlagen wurde, dass bis zum Jahr 2030 mindestens 80 Prozent der Bevölkerung jedes Landes Zugang zu chirurgischer und anästhesiologischer Notfallversorgung haben sollten, verbleibt dieses Ziel in vielen Ländern noch in weiter, nahezu unerreichbarer Ferne. Zwar zeigte sich in der nun vorgestellten Studie, dass etwas 70 Prozent der Bevölkerung in Subsahara-Afrika innerhalb von zwei Stunden Reisezeit Entfernung eines öffentlichen Krankenhauses leben, jedoch leben gerade in weniger dicht besiedelten Regionen und in einigen besonders armen Ländern viele Menschen abgeschnitten von zeitnah erreichbarer medizinischer Notfallversorgung: Im Südsudan können nur etwa 25 Prozent der Bevölkerung innerhalb von zwei Stunden ein Krankenhaus erreichen, in Mauretanien, Eritrea und Niger nur etwa 40 Prozent. So verbleibt der Zugang in 30 der untersuchten Länder unter dem 80-Prozent-Ziel, in nur 18 Ländern wird dieses Ziel erreicht oder übertroffen.
Obwohl diese Daten einen ersten umfassenden Überblick über die Situation ermöglichen, verbleiben dennoch viele Fragezeichen und Unsicherheiten. So wurden in der genannten Studie die Reisezeiten nach geografischer Lage der Orte und Qualität der Straßen berechnet, es blieb jedoch unberücksichtigt, wie der tatsächliche Zugang der Bevölkerung zu Transportmitteln ist. Ebenso wurde nicht untersucht, inwiefern die erreichbaren Krankenhäuser tatsächlich die ihnen zugeschriebene Notfallversorgung leisten können und auf welchem Niveau.
Da gerade in den ländlichen Regionen Afrikas der Mangel an medizinischem Fachpersonal groß ist, die tatsächliche Ausstattung der Krankenhäuser mit medizinischer Ausrüstung sowie Medikamenten und Verbandsmaterialien oft hinter der notwendigen Mindestausstattung zurückbleibt und oftmals der Zugang der Bevölkerung zu Transportmitteln stark eingeschränkt ist, wird der effektive Zugang vieler Menschen zur medizinischen Notfallversorgung sicher noch schlechter und erschwerter sein, als in der Studie beschrieben.
Die Ergebnisse der Studie sollten daher als ein Startschuss zu weiteren Erhebungen der Versorgungsdichte und -qualität medizinischer Notfall- und Akutversorgung in Afrika verstanden werden. Ebenso sollten gleichzeitig verstärkte Anstrengungen unternommen werden, die Versorgung auszubauen und zu verbessern, denn die Ergebnisse der Studie zeigen in jedem Fall auf, dass die aktuelle Versorgung stellenweise noch weit hinter dem Bedarf einer ausreichenden Mindestversorgung zurückbleibt.
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